Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Geht es Ihnen besser?" sagte Annita schüchtern.

"Mach wenigstens die Thür zu! willst Du raus oder rein?" Papa Severin rückte gleichzeitig auf seinem Sopha, als wolle er ihr Platz machen. "Na, is der Schwindel unten schon im Gange?" fragte er leutselig.

"Sie sitzen hier so gemüthlich! Es sieht aus, wie in den Märchen, - in der Behausung des Winters oder so" - sagte das Mädchen und setzte sich auf eine Stuhlkante.

Papa blickte sie unsicher und dann sehr kritisch an. Immer freundlicher wurde sein Ausdruck. "Willst Du 'n Schluck Grog haben?" sagte er und schob sein Glas über den Tisch; es geschah so plötzlich, daß Annita von dem Stuhl auffuhr.

"Nein, danke!" stammelte sie, sich nach der Thür zurückziehend, "jetzt muß ich wohl hinunter." Sie besann sich, daß es doch unhöflich sei, nichts weiter zu sagen. "Kommen Sie doch auch recht bald nach", fügte sie sehr gegen ihren Wunsch hinzu.

"Ich will mich wohl hüten!" brummte er grimmig hinter ihr her, "mach ordentlich die Thür zu, und schick mir das Mädchen rauf, Mari, hörst Du?" Damit versank er wieder hinter der Zeitung.

Als Annita hinunterlief, fühlte sie eine Last auf ihrer Seele. Zwei Dinge standen fest: Papa Severin war ihr heute unheimlich vorgekommen, und es konnte noch ärger werden, wenn Mari wirklich hinaufging und

„Geht es Ihnen besser?“ sagte Annita schüchtern.

„Mach wenigstens die Thür zu! willst Du raus oder rein?“ Papa Severin rückte gleichzeitig auf seinem Sopha, als wolle er ihr Platz machen. „Na, is der Schwindel unten schon im Gange?“ fragte er leutselig.

„Sie sitzen hier so gemüthlich! Es sieht aus, wie in den Märchen, – in der Behausung des Winters oder so“ – sagte das Mädchen und setzte sich auf eine Stuhlkante.

Papa blickte sie unsicher und dann sehr kritisch an. Immer freundlicher wurde sein Ausdruck. „Willst Du ’n Schluck Grog haben?“ sagte er und schob sein Glas über den Tisch; es geschah so plötzlich, daß Annita von dem Stuhl auffuhr.

„Nein, danke!“ stammelte sie, sich nach der Thür zurückziehend, „jetzt muß ich wohl hinunter.“ Sie besann sich, daß es doch unhöflich sei, nichts weiter zu sagen. „Kommen Sie doch auch recht bald nach“, fügte sie sehr gegen ihren Wunsch hinzu.

„Ich will mich wohl hüten!“ brummte er grimmig hinter ihr her, „mach ordentlich die Thür zu, und schick mir das Mädchen rauf, Mari, hörst Du?“ Damit versank er wieder hinter der Zeitung.

Als Annita hinunterlief, fühlte sie eine Last auf ihrer Seele. Zwei Dinge standen fest: Papa Severin war ihr heute unheimlich vorgekommen, und es konnte noch ärger werden, wenn Mari wirklich hinaufging und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0237" n="229"/>
        <p>&#x201E;Geht es Ihnen besser?&#x201C; sagte Annita schüchtern.</p>
        <p>&#x201E;Mach wenigstens die Thür zu! willst Du raus oder rein?&#x201C; Papa Severin rückte gleichzeitig auf seinem Sopha, als wolle er ihr Platz machen. &#x201E;Na, is der Schwindel unten schon im Gange?&#x201C; fragte er leutselig.</p>
        <p>&#x201E;Sie sitzen hier so gemüthlich! Es sieht aus, wie in den Märchen, &#x2013; in der Behausung des Winters oder so&#x201C; &#x2013; sagte das Mädchen und setzte sich auf eine Stuhlkante.</p>
        <p>Papa blickte sie unsicher und dann sehr kritisch an. Immer freundlicher wurde sein Ausdruck. &#x201E;Willst Du &#x2019;n Schluck Grog haben?&#x201C; sagte er und schob sein Glas über den Tisch; es geschah so plötzlich, daß Annita von dem Stuhl auffuhr.</p>
        <p>&#x201E;Nein, danke!&#x201C; stammelte sie, sich nach der Thür zurückziehend, &#x201E;jetzt muß ich wohl hinunter.&#x201C; Sie besann sich, daß es doch unhöflich sei, nichts weiter zu sagen. &#x201E;Kommen Sie doch auch recht bald nach&#x201C;, fügte sie sehr gegen ihren Wunsch hinzu.</p>
        <p>&#x201E;Ich will mich wohl hüten!&#x201C; brummte er grimmig hinter ihr her, &#x201E;mach ordentlich die Thür zu, und schick mir das Mädchen rauf, Mari, hörst Du?&#x201C; Damit versank er wieder hinter der Zeitung.</p>
        <p>Als Annita hinunterlief, fühlte sie eine Last auf ihrer Seele. Zwei Dinge standen fest: Papa Severin war ihr heute unheimlich vorgekommen, und es konnte noch ärger werden, wenn Mari wirklich hinaufging und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0237] „Geht es Ihnen besser?“ sagte Annita schüchtern. „Mach wenigstens die Thür zu! willst Du raus oder rein?“ Papa Severin rückte gleichzeitig auf seinem Sopha, als wolle er ihr Platz machen. „Na, is der Schwindel unten schon im Gange?“ fragte er leutselig. „Sie sitzen hier so gemüthlich! Es sieht aus, wie in den Märchen, – in der Behausung des Winters oder so“ – sagte das Mädchen und setzte sich auf eine Stuhlkante. Papa blickte sie unsicher und dann sehr kritisch an. Immer freundlicher wurde sein Ausdruck. „Willst Du ’n Schluck Grog haben?“ sagte er und schob sein Glas über den Tisch; es geschah so plötzlich, daß Annita von dem Stuhl auffuhr. „Nein, danke!“ stammelte sie, sich nach der Thür zurückziehend, „jetzt muß ich wohl hinunter.“ Sie besann sich, daß es doch unhöflich sei, nichts weiter zu sagen. „Kommen Sie doch auch recht bald nach“, fügte sie sehr gegen ihren Wunsch hinzu. „Ich will mich wohl hüten!“ brummte er grimmig hinter ihr her, „mach ordentlich die Thür zu, und schick mir das Mädchen rauf, Mari, hörst Du?“ Damit versank er wieder hinter der Zeitung. Als Annita hinunterlief, fühlte sie eine Last auf ihrer Seele. Zwei Dinge standen fest: Papa Severin war ihr heute unheimlich vorgekommen, und es konnte noch ärger werden, wenn Mari wirklich hinaufging und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/237
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/237>, abgerufen am 22.11.2024.