Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ja! Regen Sie sich nicht auf, ich bin das gewöhnt; ich hab' das mit offenen Augen auf mich genommen, als ich Malerin wurde."

"Aber das ist ja schrecklich, Fräulein!"

"Warum schrecklich? Ich weiß ja nicht, ob ich morgen lebe, weshalb muß ich's denn ganz genau wissen, daß ich morgen esse?" Ein kühner stolzer Ausdruck verschönte ihr Gesicht. "Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß."

Sein Blick glitt über ihr blasses Gesicht, über die dünnen Kleider, über dies malerische, aber winddurchpfiffene Gelaß unterm Dach, und Theilnahme, dazu Besorgniß, sie zu beleidigen, schlossen ihm den Mund.

"Es kommt wieder besser," sagte sie, als müsse sie ihn ermuthigen, "im Ganzen hab' ich nie besonders Pech gehabt. Nur in diesem Gauting" - sie stampfte mit dem Fuß auf - "und ich hatte so schöne Pläne für den Winter, der nun recht dürr und kümmerlich vor mir liegt."

"Schöne Pläne?"

"Sehen Sie, ich hab' eine Schwester in England, die ist Lehrerin da, sehnt sich aber seit Jahr und Tag hierher zurück, - wir wollten zusammen leben, ich hätte Jemand gehabt, der sich mit mir freut, wenn mir etwas gelingt, oder wenn ich etwas verkaufe. Es ist so langweilig, sie immer dort, ich hier allein -"

„Ja! Regen Sie sich nicht auf, ich bin das gewöhnt; ich hab’ das mit offenen Augen auf mich genommen, als ich Malerin wurde.“

„Aber das ist ja schrecklich, Fräulein!“

„Warum schrecklich? Ich weiß ja nicht, ob ich morgen lebe, weshalb muß ich’s denn ganz genau wissen, daß ich morgen esse?“ Ein kühner stolzer Ausdruck verschönte ihr Gesicht. „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß.“

Sein Blick glitt über ihr blasses Gesicht, über die dünnen Kleider, über dies malerische, aber winddurchpfiffene Gelaß unterm Dach, und Theilnahme, dazu Besorgniß, sie zu beleidigen, schlossen ihm den Mund.

„Es kommt wieder besser,“ sagte sie, als müsse sie ihn ermuthigen, „im Ganzen hab’ ich nie besonders Pech gehabt. Nur in diesem Gauting“ – sie stampfte mit dem Fuß auf – „und ich hatte so schöne Pläne für den Winter, der nun recht dürr und kümmerlich vor mir liegt.“

„Schöne Pläne?“

„Sehen Sie, ich hab’ eine Schwester in England, die ist Lehrerin da, sehnt sich aber seit Jahr und Tag hierher zurück, – wir wollten zusammen leben, ich hätte Jemand gehabt, der sich mit mir freut, wenn mir etwas gelingt, oder wenn ich etwas verkaufe. Es ist so langweilig, sie immer dort, ich hier allein –“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0189" n="181"/>
        <p>&#x201E;Ja! Regen Sie sich nicht auf, ich bin das gewöhnt; ich hab&#x2019; das mit offenen Augen auf mich genommen, als ich Malerin wurde.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber das ist ja schrecklich, Fräulein!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Warum schrecklich? Ich weiß ja nicht, ob ich morgen lebe, weshalb muß ich&#x2019;s denn ganz genau wissen, daß ich morgen esse?&#x201C; Ein kühner stolzer Ausdruck verschönte ihr Gesicht. &#x201E;Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß.&#x201C;</p>
        <p>Sein Blick glitt über ihr blasses Gesicht, über die dünnen Kleider, über dies malerische, aber winddurchpfiffene Gelaß unterm Dach, und Theilnahme, dazu Besorgniß, sie zu beleidigen, schlossen ihm den Mund.</p>
        <p>&#x201E;Es kommt wieder besser,&#x201C; sagte sie, als müsse sie ihn ermuthigen, &#x201E;im Ganzen hab&#x2019; ich nie besonders Pech gehabt. Nur in diesem Gauting&#x201C; &#x2013; sie stampfte mit dem Fuß auf &#x2013; &#x201E;und ich hatte so schöne Pläne für den Winter, der nun recht dürr und kümmerlich vor mir liegt.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Schöne Pläne?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Sehen Sie, ich hab&#x2019; eine Schwester in England, die ist Lehrerin da, sehnt sich aber seit Jahr und Tag hierher zurück, &#x2013; wir wollten zusammen leben, ich hätte Jemand gehabt, der sich mit mir freut, wenn mir etwas gelingt, oder wenn ich etwas verkaufe. Es ist so langweilig, sie immer dort, ich hier allein &#x2013;&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0189] „Ja! Regen Sie sich nicht auf, ich bin das gewöhnt; ich hab’ das mit offenen Augen auf mich genommen, als ich Malerin wurde.“ „Aber das ist ja schrecklich, Fräulein!“ „Warum schrecklich? Ich weiß ja nicht, ob ich morgen lebe, weshalb muß ich’s denn ganz genau wissen, daß ich morgen esse?“ Ein kühner stolzer Ausdruck verschönte ihr Gesicht. „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß.“ Sein Blick glitt über ihr blasses Gesicht, über die dünnen Kleider, über dies malerische, aber winddurchpfiffene Gelaß unterm Dach, und Theilnahme, dazu Besorgniß, sie zu beleidigen, schlossen ihm den Mund. „Es kommt wieder besser,“ sagte sie, als müsse sie ihn ermuthigen, „im Ganzen hab’ ich nie besonders Pech gehabt. Nur in diesem Gauting“ – sie stampfte mit dem Fuß auf – „und ich hatte so schöne Pläne für den Winter, der nun recht dürr und kümmerlich vor mir liegt.“ „Schöne Pläne?“ „Sehen Sie, ich hab’ eine Schwester in England, die ist Lehrerin da, sehnt sich aber seit Jahr und Tag hierher zurück, – wir wollten zusammen leben, ich hätte Jemand gehabt, der sich mit mir freut, wenn mir etwas gelingt, oder wenn ich etwas verkaufe. Es ist so langweilig, sie immer dort, ich hier allein –“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/189
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/189>, abgerufen am 24.11.2024.