Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Die Leute, die so was predigen! Uebrigens, Toni, kannst Du Dir denken, weshalb? Was sie meinen?"

"N - n - ein." Ueber ihr Gesicht fliegt ein Purpurschatten. Richard athmet auf.

"Nicht wahr, Du weißt es nicht, und sieh, ich weiß es auch nicht; ich weiß nur, daß es Schmutzfinken gibt, für die nur die gemeine Seite aller Dinge, aller Gefühle, aller Verhältnisse existirt. Und nun sage mir, mein liebes Mädchen, mein armes, verschüchtertes Vögelchen, sollen wir beide uns von Leuten dieser Sorte unser Thun und Lassen bestimmen, unsre Empfindungen beeinflussen lassen? Wäre das nicht die verkehrte Welt?" Er drückte heftig auffordernd ihre Hand.

"Ja," hauchte Toni widerstrebend, "aber sieh mal, Mama -"

"Liebst Du mich, Toni?"

"Ach, das ist doch selbstverständlich, wenn wir verlobt sind."

"Etwas mehr, als diese selbstverständlichen Brautgefühle, Kind! Bin ich der Mensch, der Dir der liebste ist auf der ganzen Welt?"

"Ja, gewiß, Richard, nur noch Mama -"

Er unterbrach sie hastig. "Bin ich Dein Ideal, Toni?"

"Ja, aber warum quälst Du mich so, und warum bist Du so aufgeregt? Ich bin auch schon ganz aufgeregt worden! So mußt Du nie mehr mit mir sprechen,

„Die Leute, die so was predigen! Uebrigens, Toni, kannst Du Dir denken, weshalb? Was sie meinen?“

„N – n – ein.“ Ueber ihr Gesicht fliegt ein Purpurschatten. Richard athmet auf.

„Nicht wahr, Du weißt es nicht, und sieh, ich weiß es auch nicht; ich weiß nur, daß es Schmutzfinken gibt, für die nur die gemeine Seite aller Dinge, aller Gefühle, aller Verhältnisse existirt. Und nun sage mir, mein liebes Mädchen, mein armes, verschüchtertes Vögelchen, sollen wir beide uns von Leuten dieser Sorte unser Thun und Lassen bestimmen, unsre Empfindungen beeinflussen lassen? Wäre das nicht die verkehrte Welt?“ Er drückte heftig auffordernd ihre Hand.

„Ja,“ hauchte Toni widerstrebend, „aber sieh mal, Mama –“

„Liebst Du mich, Toni?“

„Ach, das ist doch selbstverständlich, wenn wir verlobt sind.“

„Etwas mehr, als diese selbstverständlichen Brautgefühle, Kind! Bin ich der Mensch, der Dir der liebste ist auf der ganzen Welt?“

„Ja, gewiß, Richard, nur noch Mama –“

Er unterbrach sie hastig. „Bin ich Dein Ideal, Toni?“

„Ja, aber warum quälst Du mich so, und warum bist Du so aufgeregt? Ich bin auch schon ganz aufgeregt worden! So mußt Du nie mehr mit mir sprechen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0151" n="143"/>
        <p>&#x201E;Die Leute, die so was predigen! Uebrigens, Toni, kannst Du Dir denken, weshalb? Was sie meinen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;N &#x2013; n &#x2013; ein.&#x201C; Ueber ihr Gesicht fliegt ein Purpurschatten. Richard athmet auf.</p>
        <p>&#x201E;Nicht wahr, Du weißt es nicht, und sieh, ich weiß es auch nicht; ich weiß nur, daß es Schmutzfinken gibt, für die nur die gemeine Seite aller Dinge, aller Gefühle, aller Verhältnisse existirt. Und nun sage mir, mein liebes Mädchen, mein armes, verschüchtertes Vögelchen, sollen wir beide uns von Leuten dieser Sorte unser Thun und Lassen bestimmen, unsre Empfindungen beeinflussen lassen? Wäre das nicht die verkehrte Welt?&#x201C; Er drückte heftig auffordernd ihre Hand.</p>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; hauchte Toni widerstrebend, &#x201E;aber sieh mal, Mama &#x2013;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Liebst Du mich, Toni?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ach, das ist doch selbstverständlich, wenn wir verlobt sind.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Etwas mehr, als diese selbstverständlichen Brautgefühle, Kind! Bin ich der Mensch, der Dir der liebste ist auf der ganzen Welt?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, gewiß, Richard, nur noch Mama &#x2013;&#x201C;</p>
        <p>Er unterbrach sie hastig. &#x201E;Bin ich Dein Ideal, Toni?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, aber warum quälst Du mich so, und warum bist Du so aufgeregt? Ich bin auch schon ganz aufgeregt worden! So mußt Du nie mehr mit mir sprechen,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0151] „Die Leute, die so was predigen! Uebrigens, Toni, kannst Du Dir denken, weshalb? Was sie meinen?“ „N – n – ein.“ Ueber ihr Gesicht fliegt ein Purpurschatten. Richard athmet auf. „Nicht wahr, Du weißt es nicht, und sieh, ich weiß es auch nicht; ich weiß nur, daß es Schmutzfinken gibt, für die nur die gemeine Seite aller Dinge, aller Gefühle, aller Verhältnisse existirt. Und nun sage mir, mein liebes Mädchen, mein armes, verschüchtertes Vögelchen, sollen wir beide uns von Leuten dieser Sorte unser Thun und Lassen bestimmen, unsre Empfindungen beeinflussen lassen? Wäre das nicht die verkehrte Welt?“ Er drückte heftig auffordernd ihre Hand. „Ja,“ hauchte Toni widerstrebend, „aber sieh mal, Mama –“ „Liebst Du mich, Toni?“ „Ach, das ist doch selbstverständlich, wenn wir verlobt sind.“ „Etwas mehr, als diese selbstverständlichen Brautgefühle, Kind! Bin ich der Mensch, der Dir der liebste ist auf der ganzen Welt?“ „Ja, gewiß, Richard, nur noch Mama –“ Er unterbrach sie hastig. „Bin ich Dein Ideal, Toni?“ „Ja, aber warum quälst Du mich so, und warum bist Du so aufgeregt? Ich bin auch schon ganz aufgeregt worden! So mußt Du nie mehr mit mir sprechen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/151
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/151>, abgerufen am 24.11.2024.