Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

enttäuschend, wie ein kalter Maitag. Und seit wann geht sie denn mit solch einer unvernünftigen Taille umher, von der er, der Mediciner, der Physiolog doch keinen Augenblick geblendet sein kann? Zum Abknicken! Den Teufel auch, wenn ich denn doch schon mal heirathe, will ich gesunde Kinder haben, wozu wäre sonst der ganze Handel! Das will er ihr jedenfalls auch sagen. Oder besser der Mama - diese jungen Mädchen der guten Gesellschaft müssen ja wie rohe Eier behandelt werden vor der Hochzeit. Nachher - nein, da werden sie bedeutend anders; die Kollegen Spezialisten haben ihm genug aus ihrer Praxis erzählt. Jedenfalls hatte es sein Gutes mit der Toni, daß sie noch so jung, so unselbständig ist. "Mama", das ist das dritte Wort. Jetzt muß man's nur machen, daß ihr drittes Wort "Richard" heißt, und das kann doch bei einem solchen neunzehnjährigen Seelchen keine zu schwere Operation sein. Die weiblichen Wesen im Allgemeinen lechzen ja nach Unterordnung. Es gibt Ausnahmen. So die Sonja. Aber das war kein deutsches Mädchen. Freilich, die Malerin von gestern sah auch nicht danach aus. Je nun - eine selbständige Person wie die zählt ja kaum mit - der künftige Staat wird drei Menschengattungen haben: Männer, Frauen und Neutren. Die Malerin wird wohl ein Neutrum sein, das heißt, mit dem Temperament -

enttäuschend, wie ein kalter Maitag. Und seit wann geht sie denn mit solch einer unvernünftigen Taille umher, von der er, der Mediciner, der Physiolog doch keinen Augenblick geblendet sein kann? Zum Abknicken! Den Teufel auch, wenn ich denn doch schon mal heirathe, will ich gesunde Kinder haben, wozu wäre sonst der ganze Handel! Das will er ihr jedenfalls auch sagen. Oder besser der Mama – diese jungen Mädchen der guten Gesellschaft müssen ja wie rohe Eier behandelt werden vor der Hochzeit. Nachher – nein, da werden sie bedeutend anders; die Kollegen Spezialisten haben ihm genug aus ihrer Praxis erzählt. Jedenfalls hatte es sein Gutes mit der Toni, daß sie noch so jung, so unselbständig ist. „Mama“, das ist das dritte Wort. Jetzt muß man’s nur machen, daß ihr drittes Wort „Richard“ heißt, und das kann doch bei einem solchen neunzehnjährigen Seelchen keine zu schwere Operation sein. Die weiblichen Wesen im Allgemeinen lechzen ja nach Unterordnung. Es gibt Ausnahmen. So die Sonja. Aber das war kein deutsches Mädchen. Freilich, die Malerin von gestern sah auch nicht danach aus. Je nun – eine selbständige Person wie die zählt ja kaum mit – der künftige Staat wird drei Menschengattungen haben: Männer, Frauen und Neutren. Die Malerin wird wohl ein Neutrum sein, das heißt, mit dem Temperament –

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="135"/>
enttäuschend, wie ein kalter Maitag. Und seit wann geht sie denn mit solch einer unvernünftigen Taille umher, von der er, der Mediciner, der Physiolog doch keinen Augenblick geblendet sein kann? Zum Abknicken! Den Teufel auch, wenn ich denn doch schon mal heirathe, will ich gesunde Kinder haben, wozu wäre sonst der ganze Handel! Das will er ihr jedenfalls auch sagen. Oder besser der Mama &#x2013; diese jungen Mädchen der guten Gesellschaft müssen ja wie rohe Eier behandelt werden vor der Hochzeit. Nachher &#x2013; nein, da werden sie bedeutend anders; die Kollegen Spezialisten haben ihm genug aus ihrer Praxis erzählt. Jedenfalls hatte es sein Gutes mit der Toni, daß sie noch so jung, so unselbständig ist. &#x201E;Mama&#x201C;, das ist das dritte Wort. Jetzt muß man&#x2019;s nur machen, daß ihr drittes Wort &#x201E;Richard&#x201C; heißt, und das kann doch bei einem solchen neunzehnjährigen Seelchen keine zu schwere Operation sein. Die weiblichen Wesen im Allgemeinen lechzen ja nach Unterordnung. Es gibt Ausnahmen. So die Sonja. Aber das war kein deutsches Mädchen. Freilich, die Malerin von gestern sah auch nicht danach aus. Je nun &#x2013; eine selbständige Person wie die zählt ja kaum mit &#x2013; der künftige Staat wird drei Menschengattungen haben: Männer, Frauen und Neutren. Die Malerin wird wohl ein Neutrum sein, das heißt, mit dem Temperament &#x2013;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0143] enttäuschend, wie ein kalter Maitag. Und seit wann geht sie denn mit solch einer unvernünftigen Taille umher, von der er, der Mediciner, der Physiolog doch keinen Augenblick geblendet sein kann? Zum Abknicken! Den Teufel auch, wenn ich denn doch schon mal heirathe, will ich gesunde Kinder haben, wozu wäre sonst der ganze Handel! Das will er ihr jedenfalls auch sagen. Oder besser der Mama – diese jungen Mädchen der guten Gesellschaft müssen ja wie rohe Eier behandelt werden vor der Hochzeit. Nachher – nein, da werden sie bedeutend anders; die Kollegen Spezialisten haben ihm genug aus ihrer Praxis erzählt. Jedenfalls hatte es sein Gutes mit der Toni, daß sie noch so jung, so unselbständig ist. „Mama“, das ist das dritte Wort. Jetzt muß man’s nur machen, daß ihr drittes Wort „Richard“ heißt, und das kann doch bei einem solchen neunzehnjährigen Seelchen keine zu schwere Operation sein. Die weiblichen Wesen im Allgemeinen lechzen ja nach Unterordnung. Es gibt Ausnahmen. So die Sonja. Aber das war kein deutsches Mädchen. Freilich, die Malerin von gestern sah auch nicht danach aus. Je nun – eine selbständige Person wie die zählt ja kaum mit – der künftige Staat wird drei Menschengattungen haben: Männer, Frauen und Neutren. Die Malerin wird wohl ein Neutrum sein, das heißt, mit dem Temperament –

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/143
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/143>, abgerufen am 24.11.2024.