Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Heugeruch ausgeht, den altmodischen Regulator, der wahrhaftig schon auf elf zeigt, endlich die zierlichen Brotscheiben im chinesischen Bastkörbchen, den angeschnittenen Schinken auf hölzernem Brett, die flachen braunen Landjäger, von denen einer in Stücke zertheilt ist - so ein Landjäger sieht doch aus, als ob er auf Bäumen wachsen müßte, eine Art gesalzenes Johannisbrod! Und plötzlich bekommt er solch eine Lust, den Landjäger da zu probiren. Es ist mehr eigentlich, es ist ein herzhafter Appetit, dessen er sich bewußt wird, und fast ohne es zu wollen, hat er die Hand nach einem Scheibchen Wurst, nach einer Brodschnitte ausgestreckt und ist ordentlich überrascht, daß es sich greifen und in den Mund schieben läßt und sogar sehr gut schmeckt, so gut, daß er noch weiter zugreift, halb im Traum. Wenn nur auch etwas zu trinken da wäre! Aber die Theekanne zwischen den zurückgeschobenen Gedecken fühlt sich kalt an, und das Restchen, das er sich daraus in seinen Reisebecher gießt, ist dunkelbraun und schmeckt nach Gerbsäure. Sie müssen also doch schon ziemlich lange fort sein, - er nimmt die Karte vom Starnberger See und Umgebung aus der Brusttasche, entfaltet sie auf der leeren Hälfte des Tisches und versucht sich zu orientiren. Mühlthal? sollte dies Mühlthal sein? Und der Fluß wäre die Würm? Freilich, freilich, daß einem Heugeruch ausgeht, den altmodischen Regulator, der wahrhaftig schon auf elf zeigt, endlich die zierlichen Brotscheiben im chinesischen Bastkörbchen, den angeschnittenen Schinken auf hölzernem Brett, die flachen braunen Landjäger, von denen einer in Stücke zertheilt ist – so ein Landjäger sieht doch aus, als ob er auf Bäumen wachsen müßte, eine Art gesalzenes Johannisbrod! Und plötzlich bekommt er solch eine Lust, den Landjäger da zu probiren. Es ist mehr eigentlich, es ist ein herzhafter Appetit, dessen er sich bewußt wird, und fast ohne es zu wollen, hat er die Hand nach einem Scheibchen Wurst, nach einer Brodschnitte ausgestreckt und ist ordentlich überrascht, daß es sich greifen und in den Mund schieben läßt und sogar sehr gut schmeckt, so gut, daß er noch weiter zugreift, halb im Traum. Wenn nur auch etwas zu trinken da wäre! Aber die Theekanne zwischen den zurückgeschobenen Gedecken fühlt sich kalt an, und das Restchen, das er sich daraus in seinen Reisebecher gießt, ist dunkelbraun und schmeckt nach Gerbsäure. Sie müssen also doch schon ziemlich lange fort sein, – er nimmt die Karte vom Starnberger See und Umgebung aus der Brusttasche, entfaltet sie auf der leeren Hälfte des Tisches und versucht sich zu orientiren. Mühlthal? sollte dies Mühlthal sein? Und der Fluß wäre die Würm? Freilich, freilich, daß einem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="102"/> Heugeruch ausgeht, den altmodischen Regulator, der wahrhaftig schon auf elf zeigt, endlich die zierlichen Brotscheiben im chinesischen Bastkörbchen, den angeschnittenen Schinken auf hölzernem Brett, die flachen braunen Landjäger, von denen einer in Stücke zertheilt ist – so ein Landjäger sieht doch aus, als ob er auf Bäumen wachsen müßte, eine Art gesalzenes Johannisbrod! Und plötzlich bekommt er solch eine Lust, den Landjäger da zu probiren. Es ist mehr eigentlich, es ist ein herzhafter Appetit, dessen er sich bewußt wird, und fast ohne es zu wollen, hat er die Hand nach einem Scheibchen Wurst, nach einer Brodschnitte ausgestreckt und ist ordentlich überrascht, daß es sich greifen und in den Mund schieben läßt und sogar sehr gut schmeckt, so gut, daß er noch weiter zugreift, halb im Traum.</p> <p>Wenn nur auch etwas zu trinken da wäre! Aber die Theekanne zwischen den zurückgeschobenen Gedecken fühlt sich kalt an, und das Restchen, das er sich daraus in seinen Reisebecher gießt, ist dunkelbraun und schmeckt nach Gerbsäure. Sie müssen also doch schon ziemlich lange fort sein, – er nimmt die Karte vom Starnberger See und Umgebung aus der Brusttasche, entfaltet sie auf der leeren Hälfte des Tisches und versucht sich zu orientiren.</p> <p>Mühlthal? sollte dies Mühlthal sein? Und der Fluß wäre die Würm? Freilich, freilich, daß einem </p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0110]
Heugeruch ausgeht, den altmodischen Regulator, der wahrhaftig schon auf elf zeigt, endlich die zierlichen Brotscheiben im chinesischen Bastkörbchen, den angeschnittenen Schinken auf hölzernem Brett, die flachen braunen Landjäger, von denen einer in Stücke zertheilt ist – so ein Landjäger sieht doch aus, als ob er auf Bäumen wachsen müßte, eine Art gesalzenes Johannisbrod! Und plötzlich bekommt er solch eine Lust, den Landjäger da zu probiren. Es ist mehr eigentlich, es ist ein herzhafter Appetit, dessen er sich bewußt wird, und fast ohne es zu wollen, hat er die Hand nach einem Scheibchen Wurst, nach einer Brodschnitte ausgestreckt und ist ordentlich überrascht, daß es sich greifen und in den Mund schieben läßt und sogar sehr gut schmeckt, so gut, daß er noch weiter zugreift, halb im Traum.
Wenn nur auch etwas zu trinken da wäre! Aber die Theekanne zwischen den zurückgeschobenen Gedecken fühlt sich kalt an, und das Restchen, das er sich daraus in seinen Reisebecher gießt, ist dunkelbraun und schmeckt nach Gerbsäure. Sie müssen also doch schon ziemlich lange fort sein, – er nimmt die Karte vom Starnberger See und Umgebung aus der Brusttasche, entfaltet sie auf der leeren Hälfte des Tisches und versucht sich zu orientiren.
Mühlthal? sollte dies Mühlthal sein? Und der Fluß wäre die Würm? Freilich, freilich, daß einem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |