Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

entschuldigen, aber geschmackvoll ist's nicht, die Menschheit so zu uniformiren!

Wieder preßte und streichelte er das Beutelchen in seiner Tasche, als wär's etwas Lebendiges. Er entsann sich der Worte, die er an Toni gerichtet: "Studieren Sie auch, mein Fräulein?" und ihres erschrockenen "O nein!" Es war ordentlich, als hätte er ihr etwas zugetraut, das nicht "ladylike" ist. Und es war auch eine alberne Frage an ein junges Mädchen in feschem Touristenkostüm, wenn man ihm zum erstenmal auf dem Ütliberg begegnet, und wenn dieser Ütli auch zehnmal oberhalb Zürichs und seiner gepriesenen Hochschule liegt. Aber seine Phantasie war damals so angefüllt mit Studentinnen, kurzgeschnittenen und langhaarigen, daß er jedes junge flottgeschürzte weibliche Wesen für eine von der Zunft nahm. Natürlich, als dann die Mama auftauchte und der ganze Hofstaat der Verwandten, war's ihm klar, daß er sich mit seiner Frage blamirt hatte. Und schlimmer als das, diese Frage hatte ihm das reizende Geschöpf mit dem langen geschmeidigen Hälschen kopfscheu gemacht; es bewegte sich hurtig von ihm weg, antwortete kurz und befangen, lauter "ja" und "nein" und "o gewiß" und "selbstverständlich" und blickte ihn nur zuweilen mit zusammengezogenen Brauen trotzig, herausfordernd an, - o der süße, dumme Backfisch! Toni! Toni! und immer Toni!

entschuldigen, aber geschmackvoll ist’s nicht, die Menschheit so zu uniformiren!

Wieder preßte und streichelte er das Beutelchen in seiner Tasche, als wär’s etwas Lebendiges. Er entsann sich der Worte, die er an Toni gerichtet: „Studieren Sie auch, mein Fräulein?“ und ihres erschrockenen „O nein!“ Es war ordentlich, als hätte er ihr etwas zugetraut, das nicht „ladylike“ ist. Und es war auch eine alberne Frage an ein junges Mädchen in feschem Touristenkostüm, wenn man ihm zum erstenmal auf dem Ütliberg begegnet, und wenn dieser Ütli auch zehnmal oberhalb Zürichs und seiner gepriesenen Hochschule liegt. Aber seine Phantasie war damals so angefüllt mit Studentinnen, kurzgeschnittenen und langhaarigen, daß er jedes junge flottgeschürzte weibliche Wesen für eine von der Zunft nahm. Natürlich, als dann die Mama auftauchte und der ganze Hofstaat der Verwandten, war’s ihm klar, daß er sich mit seiner Frage blamirt hatte. Und schlimmer als das, diese Frage hatte ihm das reizende Geschöpf mit dem langen geschmeidigen Hälschen kopfscheu gemacht; es bewegte sich hurtig von ihm weg, antwortete kurz und befangen, lauter „ja“ und „nein“ und „o gewiß“ und „selbstverständlich“ und blickte ihn nur zuweilen mit zusammengezogenen Brauen trotzig, herausfordernd an, – o der süße, dumme Backfisch! Toni! Toni! und immer Toni!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="92"/>
entschuldigen, aber geschmackvoll ist&#x2019;s nicht, die Menschheit so zu uniformiren!</p>
        <p>Wieder preßte und streichelte er das Beutelchen in seiner Tasche, als wär&#x2019;s etwas Lebendiges. Er entsann sich der Worte, die er an Toni gerichtet: &#x201E;Studieren Sie auch, mein Fräulein?&#x201C; und ihres erschrockenen &#x201E;O nein!&#x201C; Es war ordentlich, als hätte er ihr etwas zugetraut, das nicht &#x201E;ladylike&#x201C; ist. Und es war auch eine alberne Frage an ein junges Mädchen in feschem Touristenkostüm, wenn man ihm zum erstenmal auf dem Ütliberg begegnet, und wenn dieser Ütli auch zehnmal oberhalb Zürichs und seiner gepriesenen Hochschule liegt. Aber seine Phantasie war damals so angefüllt mit Studentinnen, kurzgeschnittenen und langhaarigen, daß er jedes junge flottgeschürzte weibliche Wesen für eine von der Zunft nahm. Natürlich, als dann die Mama auftauchte und der ganze Hofstaat der Verwandten, war&#x2019;s ihm klar, daß er sich mit seiner Frage blamirt hatte. Und schlimmer als das, diese Frage hatte ihm das reizende Geschöpf mit dem langen geschmeidigen Hälschen kopfscheu gemacht; es bewegte sich hurtig von ihm weg, antwortete kurz und befangen, lauter &#x201E;ja&#x201C; und &#x201E;nein&#x201C; und &#x201E;o gewiß&#x201C; und &#x201E;selbstverständlich&#x201C; und blickte ihn nur zuweilen mit zusammengezogenen Brauen trotzig, herausfordernd an, &#x2013; o der süße, dumme Backfisch! Toni! Toni! und immer Toni!</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] entschuldigen, aber geschmackvoll ist’s nicht, die Menschheit so zu uniformiren! Wieder preßte und streichelte er das Beutelchen in seiner Tasche, als wär’s etwas Lebendiges. Er entsann sich der Worte, die er an Toni gerichtet: „Studieren Sie auch, mein Fräulein?“ und ihres erschrockenen „O nein!“ Es war ordentlich, als hätte er ihr etwas zugetraut, das nicht „ladylike“ ist. Und es war auch eine alberne Frage an ein junges Mädchen in feschem Touristenkostüm, wenn man ihm zum erstenmal auf dem Ütliberg begegnet, und wenn dieser Ütli auch zehnmal oberhalb Zürichs und seiner gepriesenen Hochschule liegt. Aber seine Phantasie war damals so angefüllt mit Studentinnen, kurzgeschnittenen und langhaarigen, daß er jedes junge flottgeschürzte weibliche Wesen für eine von der Zunft nahm. Natürlich, als dann die Mama auftauchte und der ganze Hofstaat der Verwandten, war’s ihm klar, daß er sich mit seiner Frage blamirt hatte. Und schlimmer als das, diese Frage hatte ihm das reizende Geschöpf mit dem langen geschmeidigen Hälschen kopfscheu gemacht; es bewegte sich hurtig von ihm weg, antwortete kurz und befangen, lauter „ja“ und „nein“ und „o gewiß“ und „selbstverständlich“ und blickte ihn nur zuweilen mit zusammengezogenen Brauen trotzig, herausfordernd an, – o der süße, dumme Backfisch! Toni! Toni! und immer Toni!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/100
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/100>, abgerufen am 24.11.2024.