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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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herabfiel. Der Mann erwachte davon, daß er seit¬
wärts von dem Bock herunterrutschte und sich plötz¬
lich auf dem Boden sitzen fand. Es war still, die
Sonne schon aus dem Hof heraus. "Der hat sich
so hehlings davon gemacht, man könnt' grad meinen,
er hab' was mitgenommen," brummte der Arbeiter,
trat in den Schuppen und warf einen Blick rundum.
Er fuhr mit einem Schreckensruf zurück: Dort zwischen
den zwei kleineren Blöcken lag der Fremde auf dem
Boden, ganz mit Staub und Splittern überschüttet,
den Meißel noch fest in der Hand, ohne Hut, mit
blutbeflecktem Gesicht. Eine frische weiße Bruchfläche
an dem einen Marmor gab die Erklärung, dicht
neben der Schläfe lag ein faustgroßes abgesprungenes
Stück.

"Herr, Herr!" rief der Arbeiter und faßte ihn
an der Schulter, um ihn aufzurichten. Er schien in
Ohnmacht zu liegen, er antwortete nicht, doch athmete
er deutlich, und die Hand war warm. Der Mann
sprang an den Brunnen, holte seine Mütze voll Wasser
und goß sie dem Liegenden über den Kopf. Das
hatte geholfen, er reckte die Arme, als wolle er
aufstehen.

"Herr! Herr!" rief der Arbeiter wieder, dies¬
mal dicht an seinem Ohr, "Sie sind, scheint's, blessirt,
wo gehören's zu Haus, daß ich an Einspänner be¬
sorgen kann?"

herabfiel. Der Mann erwachte davon, daß er ſeit¬
wärts von dem Bock herunterrutſchte und ſich plötz¬
lich auf dem Boden ſitzen fand. Es war ſtill, die
Sonne ſchon aus dem Hof heraus. „Der hat ſich
ſo hehlings davon gemacht, man könnt' grad meinen,
er hab' was mitgenommen,“ brummte der Arbeiter,
trat in den Schuppen und warf einen Blick rundum.
Er fuhr mit einem Schreckensruf zurück: Dort zwiſchen
den zwei kleineren Blöcken lag der Fremde auf dem
Boden, ganz mit Staub und Splittern überſchüttet,
den Meißel noch feſt in der Hand, ohne Hut, mit
blutbeflecktem Geſicht. Eine friſche weiße Bruchfläche
an dem einen Marmor gab die Erklärung, dicht
neben der Schläfe lag ein fauſtgroßes abgeſprungenes
Stück.

„Herr, Herr!“ rief der Arbeiter und faßte ihn
an der Schulter, um ihn aufzurichten. Er ſchien in
Ohnmacht zu liegen, er antwortete nicht, doch athmete
er deutlich, und die Hand war warm. Der Mann
ſprang an den Brunnen, holte ſeine Mütze voll Waſſer
und goß ſie dem Liegenden über den Kopf. Das
hatte geholfen, er reckte die Arme, als wolle er
aufſtehen.

„Herr! Herr!“ rief der Arbeiter wieder, dies¬
mal dicht an ſeinem Ohr, „Sie ſind, ſcheint's, bleſſirt,
wo gehören's zu Haus, daß ich an Einſpänner be¬
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[73/0089] herabfiel. Der Mann erwachte davon, daß er ſeit¬ wärts von dem Bock herunterrutſchte und ſich plötz¬ lich auf dem Boden ſitzen fand. Es war ſtill, die Sonne ſchon aus dem Hof heraus. „Der hat ſich ſo hehlings davon gemacht, man könnt' grad meinen, er hab' was mitgenommen,“ brummte der Arbeiter, trat in den Schuppen und warf einen Blick rundum. Er fuhr mit einem Schreckensruf zurück: Dort zwiſchen den zwei kleineren Blöcken lag der Fremde auf dem Boden, ganz mit Staub und Splittern überſchüttet, den Meißel noch feſt in der Hand, ohne Hut, mit blutbeflecktem Geſicht. Eine friſche weiße Bruchfläche an dem einen Marmor gab die Erklärung, dicht neben der Schläfe lag ein fauſtgroßes abgeſprungenes Stück. „Herr, Herr!“ rief der Arbeiter und faßte ihn an der Schulter, um ihn aufzurichten. Er ſchien in Ohnmacht zu liegen, er antwortete nicht, doch athmete er deutlich, und die Hand war warm. Der Mann ſprang an den Brunnen, holte ſeine Mütze voll Waſſer und goß ſie dem Liegenden über den Kopf. Das hatte geholfen, er reckte die Arme, als wolle er aufſtehen. „Herr! Herr!“ rief der Arbeiter wieder, dies¬ mal dicht an ſeinem Ohr, „Sie ſind, ſcheint's, bleſſirt, wo gehören's zu Haus, daß ich an Einſpänner be¬ ſorgen kann?“

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/89>, abgerufen am 24.11.2024.