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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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"Seine Schwester ist im Sterben", fuhr er in
bebendem Ton fort, "er ist sehr beklagenswerth."

Sie maß ihn betroffen. "Muckerl?" fragte sie
leise, als habe sie den noch niemals in diesem Lichte
erblickt.

Wie sie so nachdenkend stand, das lachende
Mündchen ernsthaft geschlossen, die zierliche Gestalt
vom Abendsonnenschein umstrahlt, war es Alfred auf
einmal, als sei er blind gewesen. Sie ist ja reizend!
dachte er, und im gleichen Augenblick traf ihn ihr
Blick so voll Wohlgefallen, daß sein Herz hoch auf¬
schlug.

"Sie sind brav," sagte sie langsam und ohne
den Blick von ihm zu wenden, "wer Ihr Freund ist,
hat es gut."

Nun fing er mit einer wahren Ueberstürzung an,
von diesem Freund zu reden; er rühmte seine Güte,
seinen Fleiß, seine Begabung und demüthigte sich zu¬
letzt so tief vor ihm, daß Loni abwehrend den Kopf
schüttelte. "Nein, jetzt, das ist zuviel, das würd' er
nicht annehmen."

Etwas verwirrt kehrten sie zu den Uebrigen zu¬
rück, die ihnen zuriefen, man habe schon überall nach
ihnen gesucht. Fräulein Loni schlug den Schlanken,
den sie "Storch" nannte, geringschätzig auf die Fin¬
ger, die er ihr entgegenstreckte.

"Da hätt' ich viel zu thun, wenn ich all' Euer

„Seine Schweſter iſt im Sterben“, fuhr er in
bebendem Ton fort, „er iſt ſehr beklagenswerth.“

Sie maß ihn betroffen. „Muckerl?“ fragte ſie
leiſe, als habe ſie den noch niemals in dieſem Lichte
erblickt.

Wie ſie ſo nachdenkend ſtand, das lachende
Mündchen ernſthaft geſchloſſen, die zierliche Geſtalt
vom Abendſonnenſchein umſtrahlt, war es Alfred auf
einmal, als ſei er blind geweſen. Sie iſt ja reizend!
dachte er, und im gleichen Augenblick traf ihn ihr
Blick ſo voll Wohlgefallen, daß ſein Herz hoch auf¬
ſchlug.

„Sie ſind brav,“ ſagte ſie langſam und ohne
den Blick von ihm zu wenden, „wer Ihr Freund iſt,
hat es gut.“

Nun fing er mit einer wahren Ueberſtürzung an,
von dieſem Freund zu reden; er rühmte ſeine Güte,
ſeinen Fleiß, ſeine Begabung und demüthigte ſich zu¬
letzt ſo tief vor ihm, daß Loni abwehrend den Kopf
ſchüttelte. „Nein, jetzt, das iſt zuviel, das würd' er
nicht annehmen.“

Etwas verwirrt kehrten ſie zu den Uebrigen zu¬
rück, die ihnen zuriefen, man habe ſchon überall nach
ihnen geſucht. Fräulein Loni ſchlug den Schlanken,
den ſie „Storch“ nannte, geringſchätzig auf die Fin¬
ger, die er ihr entgegenſtreckte.

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[64/0080] „Seine Schweſter iſt im Sterben“, fuhr er in bebendem Ton fort, „er iſt ſehr beklagenswerth.“ Sie maß ihn betroffen. „Muckerl?“ fragte ſie leiſe, als habe ſie den noch niemals in dieſem Lichte erblickt. Wie ſie ſo nachdenkend ſtand, das lachende Mündchen ernſthaft geſchloſſen, die zierliche Geſtalt vom Abendſonnenſchein umſtrahlt, war es Alfred auf einmal, als ſei er blind geweſen. Sie iſt ja reizend! dachte er, und im gleichen Augenblick traf ihn ihr Blick ſo voll Wohlgefallen, daß ſein Herz hoch auf¬ ſchlug. „Sie ſind brav,“ ſagte ſie langſam und ohne den Blick von ihm zu wenden, „wer Ihr Freund iſt, hat es gut.“ Nun fing er mit einer wahren Ueberſtürzung an, von dieſem Freund zu reden; er rühmte ſeine Güte, ſeinen Fleiß, ſeine Begabung und demüthigte ſich zu¬ letzt ſo tief vor ihm, daß Loni abwehrend den Kopf ſchüttelte. „Nein, jetzt, das iſt zuviel, das würd' er nicht annehmen.“ Etwas verwirrt kehrten ſie zu den Uebrigen zu¬ rück, die ihnen zuriefen, man habe ſchon überall nach ihnen geſucht. Fräulein Loni ſchlug den Schlanken, den ſie „Storch“ nannte, geringſchätzig auf die Fin¬ ger, die er ihr entgegenſtreckte. „Da hätt' ich viel zu thun, wenn ich all' Euer

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/80>, abgerufen am 24.11.2024.