Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

geschicht' einlaßt, aus der ich sie nachher wieder her¬
ausschälen müßt."

Alfred sah ihn etwas verwundert an.

"Ich hab' die heimliche Ueberzeugung, daß sie
mir zuletzt zufallen muß," sagte der Maler nachdenk¬
lich, "denn die Buben alle geh'n nur des Lachens
wegen hin. Freilich, der Alte ist nicht unbemittelt,
wer weiß -- und die Loni könnt 'nen dummen Streich
machen und sich aus Langerweil anbinden. Das
muß verhütet werden."

"Aber wär' es nicht besser, Sie sprächen mit
dem Fräulein vor ihrer Abreise?"

Ueber Wolffs Gesicht flog ein leises Roth.

"Nein," sagte er abwehrend, "so weit sind wir
noch nicht. Sie ist so gar jung, was würd' sie zu
solch' einem Gesicht sagen; und kann doch im Augen¬
blick kein anderes hinmachen, selbst ihretwegen nicht;
ich geh nicht mal zum Abschiednehmen hin. Ich hoffe,
sie soll mich vermissen!"

Alfred war verstummt; er fühlte sich wie zu¬
sammengepreßt, wie eingeschnürt.

"Ach," rief er endlich, "und so schlägt man sich,
drängt man sich, quält man sich von einem Tag auf
den andern."

"Ja, so lebt man," war die leise Antwort.

"Leben? Das ist das Leben?" fragte er in
schmerzlicher Verwunderung.

geſchicht' einlaßt, aus der ich ſie nachher wieder her¬
ausſchälen müßt.“

Alfred ſah ihn etwas verwundert an.

„Ich hab' die heimliche Ueberzeugung, daß ſie
mir zuletzt zufallen muß,“ ſagte der Maler nachdenk¬
lich, „denn die Buben alle geh'n nur des Lachens
wegen hin. Freilich, der Alte iſt nicht unbemittelt,
wer weiß — und die Loni könnt 'nen dummen Streich
machen und ſich aus Langerweil anbinden. Das
muß verhütet werden.“

„Aber wär' es nicht beſſer, Sie ſprächen mit
dem Fräulein vor ihrer Abreiſe?“

Ueber Wolffs Geſicht flog ein leiſes Roth.

„Nein,“ ſagte er abwehrend, „ſo weit ſind wir
noch nicht. Sie iſt ſo gar jung, was würd' ſie zu
ſolch' einem Geſicht ſagen; und kann doch im Augen¬
blick kein anderes hinmachen, ſelbſt ihretwegen nicht;
ich geh nicht mal zum Abſchiednehmen hin. Ich hoffe,
ſie ſoll mich vermiſſen!“

Alfred war verſtummt; er fühlte ſich wie zu¬
ſammengepreßt, wie eingeſchnürt.

„Ach,“ rief er endlich, „und ſo ſchlägt man ſich,
drängt man ſich, quält man ſich von einem Tag auf
den andern.“

„Ja, ſo lebt man,“ war die leiſe Antwort.

„Leben? Das iſt das Leben?“ fragte er in
ſchmerzlicher Verwunderung.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0068" n="52"/>
ge&#x017F;chicht' einlaßt, aus der ich &#x017F;ie nachher wieder her¬<lb/>
aus&#x017F;chälen müßt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Alfred &#x017F;ah ihn etwas verwundert an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich hab' die heimliche Ueberzeugung, daß &#x017F;ie<lb/>
mir zuletzt zufallen muß,&#x201C; &#x017F;agte der Maler nachdenk¬<lb/>
lich, &#x201E;denn die Buben alle geh'n nur des Lachens<lb/>
wegen hin. Freilich, der Alte i&#x017F;t nicht unbemittelt,<lb/>
wer weiß &#x2014; und die Loni könnt 'nen dummen Streich<lb/>
machen und &#x017F;ich aus Langerweil anbinden. Das<lb/>
muß verhütet werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber wär' es nicht be&#x017F;&#x017F;er, Sie &#x017F;prächen mit<lb/>
dem Fräulein vor ihrer Abrei&#x017F;e?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ueber Wolffs Ge&#x017F;icht flog ein lei&#x017F;es Roth.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein,&#x201C; &#x017F;agte er abwehrend, &#x201E;&#x017F;o weit &#x017F;ind wir<lb/>
noch nicht. Sie i&#x017F;t &#x017F;o gar jung, was würd' &#x017F;ie zu<lb/>
&#x017F;olch' einem Ge&#x017F;icht &#x017F;agen; und kann doch im Augen¬<lb/>
blick kein anderes hinmachen, &#x017F;elb&#x017F;t ihretwegen nicht;<lb/>
ich geh nicht mal zum Ab&#x017F;chiednehmen hin. Ich hoffe,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;oll mich vermi&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Alfred war ver&#x017F;tummt; er fühlte &#x017F;ich wie zu¬<lb/>
&#x017F;ammengepreßt, wie einge&#x017F;chnürt.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach,&#x201C; rief er endlich, &#x201E;und &#x017F;o &#x017F;chlägt man &#x017F;ich,<lb/>
drängt man &#x017F;ich, quält man &#x017F;ich von einem Tag auf<lb/>
den andern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, &#x017F;o lebt man,&#x201C; war die lei&#x017F;e Antwort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Leben? Das i&#x017F;t das Leben?&#x201C; fragte er in<lb/>
&#x017F;chmerzlicher Verwunderung.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0068] geſchicht' einlaßt, aus der ich ſie nachher wieder her¬ ausſchälen müßt.“ Alfred ſah ihn etwas verwundert an. „Ich hab' die heimliche Ueberzeugung, daß ſie mir zuletzt zufallen muß,“ ſagte der Maler nachdenk¬ lich, „denn die Buben alle geh'n nur des Lachens wegen hin. Freilich, der Alte iſt nicht unbemittelt, wer weiß — und die Loni könnt 'nen dummen Streich machen und ſich aus Langerweil anbinden. Das muß verhütet werden.“ „Aber wär' es nicht beſſer, Sie ſprächen mit dem Fräulein vor ihrer Abreiſe?“ Ueber Wolffs Geſicht flog ein leiſes Roth. „Nein,“ ſagte er abwehrend, „ſo weit ſind wir noch nicht. Sie iſt ſo gar jung, was würd' ſie zu ſolch' einem Geſicht ſagen; und kann doch im Augen¬ blick kein anderes hinmachen, ſelbſt ihretwegen nicht; ich geh nicht mal zum Abſchiednehmen hin. Ich hoffe, ſie ſoll mich vermiſſen!“ Alfred war verſtummt; er fühlte ſich wie zu¬ ſammengepreßt, wie eingeſchnürt. „Ach,“ rief er endlich, „und ſo ſchlägt man ſich, drängt man ſich, quält man ſich von einem Tag auf den andern.“ „Ja, ſo lebt man,“ war die leiſe Antwort. „Leben? Das iſt das Leben?“ fragte er in ſchmerzlicher Verwunderung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/68
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/68>, abgerufen am 24.11.2024.