Ich nicht, mich nicht. Mich hat Niemand nix ge¬ lehrt. Muckerl will wieder anbinden. Ich laß ihn stehn."
Sie bückte sich zu dem Springbrunnen, als wolle sie eine Hand voll Wasser schöpfen. Der, den sie Muckerl genannt hatte, wich in komischer Eile zurück.
"Wein! von Wein war die Rede, Wasser liebt Niemand!" betheuerte er.
"Und Ihr kriegt doch nur ein Bier!" sagte Fräulein Loni mit tiefschmollender Miene. "Ist gut genug für Euch."
Sie huschte die breite Treppe zu dem Garten¬ hause hinauf und machte noch droben eine kleine Faust nach rückwärts.
Die jungen Männer lachten noch immer, nur "Muckerl" sah Alfred mit einem sonderbar gemischten Blick an und sagte plötzlich, vor ihm stehen bleibend:
"Nicht wahr?"
Und Alfred verstand merkwürdiger Weise, was das heißen sollte, und nickte mit einem Seitenblick nach dem Hause zu.
Der Schwarzhaarige trat ihm noch näher, zog die Mundwinkel tief herab und sagte gedämpft:
"Keine Mutter gehabt."
Alfred nickte wieder und sah mit Antheil in das jetzt tief bekümmerte Gesicht des Andern. Es war scharf und fein, mit einem Zug des Leidens; der
Ich nicht, mich nicht. Mich hat Niemand nix ge¬ lehrt. Muckerl will wieder anbinden. Ich laß ihn ſtehn.“
Sie bückte ſich zu dem Springbrunnen, als wolle ſie eine Hand voll Waſſer ſchöpfen. Der, den ſie Muckerl genannt hatte, wich in komiſcher Eile zurück.
„Wein! von Wein war die Rede, Waſſer liebt Niemand!“ betheuerte er.
„Und Ihr kriegt doch nur ein Bier!“ ſagte Fräulein Loni mit tiefſchmollender Miene. „Iſt gut genug für Euch.“
Sie huſchte die breite Treppe zu dem Garten¬ hauſe hinauf und machte noch droben eine kleine Fauſt nach rückwärts.
Die jungen Männer lachten noch immer, nur „Muckerl“ ſah Alfred mit einem ſonderbar gemiſchten Blick an und ſagte plötzlich, vor ihm ſtehen bleibend:
„Nicht wahr?“
Und Alfred verſtand merkwürdiger Weiſe, was das heißen ſollte, und nickte mit einem Seitenblick nach dem Hauſe zu.
Der Schwarzhaarige trat ihm noch näher, zog die Mundwinkel tief herab und ſagte gedämpft:
„Keine Mutter gehabt.“
Alfred nickte wieder und ſah mit Antheil in das jetzt tief bekümmerte Geſicht des Andern. Es war ſcharf und fein, mit einem Zug des Leidens; der
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Ich nicht, mich nicht. Mich hat Niemand nix ge¬
lehrt. Muckerl will wieder anbinden. Ich laß ihn
ſtehn.“
Sie bückte ſich zu dem Springbrunnen, als wolle
ſie eine Hand voll Waſſer ſchöpfen. Der, den ſie
Muckerl genannt hatte, wich in komiſcher Eile zurück.
„Wein! von Wein war die Rede, Waſſer liebt
Niemand!“ betheuerte er.
„Und Ihr kriegt doch nur ein Bier!“ ſagte
Fräulein Loni mit tiefſchmollender Miene. „Iſt gut
genug für Euch.“
Sie huſchte die breite Treppe zu dem Garten¬
hauſe hinauf und machte noch droben eine kleine Fauſt
nach rückwärts.
Die jungen Männer lachten noch immer, nur
„Muckerl“ ſah Alfred mit einem ſonderbar gemiſchten
Blick an und ſagte plötzlich, vor ihm ſtehen bleibend:
„Nicht wahr?“
Und Alfred verſtand merkwürdiger Weiſe, was
das heißen ſollte, und nickte mit einem Seitenblick
nach dem Hauſe zu.
Der Schwarzhaarige trat ihm noch näher, zog
die Mundwinkel tief herab und ſagte gedämpft:
„Keine Mutter gehabt.“
Alfred nickte wieder und ſah mit Antheil in das
jetzt tief bekümmerte Geſicht des Andern. Es war
ſcharf und fein, mit einem Zug des Leidens; der
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/48>, abgerufen am 16.02.2025.
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