Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.fragte er sich als der gewissenhafte Junge, der er Mit dem gehobenen Bewußtsein, das der kleinste Wie aber ward dem Neuling hier! Wie ging fragte er ſich als der gewiſſenhafte Junge, der er Mit dem gehobenen Bewußtſein, das der kleinſte Wie aber ward dem Neuling hier! Wie ging <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="15"/> fragte er ſich als der gewiſſenhafte Junge, der er<lb/> war, ob er nicht ſeinem Lehrer Wort halten und ſolch<lb/> eine verführeriſche Bekanntſchaft von vornherein mei¬<lb/> den ſolle; und er erkundigte ſich nicht weiter, obwohl<lb/> er beim Hinausgehen noch einen „Ständerling“ mit<lb/> der Wirthin hatte über allerlei nothwendige und un¬<lb/> verfängliche Dinge.</p><lb/> <p>Mit dem gehobenen Bewußtſein, das der kleinſte<lb/> über ſich ſelbſt errungene Sieg verleiht, begab er ſich<lb/> auf ſeine erſte Studienfahrt in die Glyptothek.</p><lb/> <p>Wie aber ward dem Neuling hier! Wie ging<lb/> ſeine Freude in bloßes Staunen, ſein Staunen in<lb/> Schrecken, ſein Erſchrecken in völlige Zerſchmetterung<lb/> über. Hier, ach, hier hatte erſt recht Niemand auf<lb/> ihn gewartet, — war nicht längſt Alles verſammelt<lb/> und tauſendmal ſchöner, als er es auch nur geträumt?<lb/> Er ſtand wie betäubt vor dem barbariniſchen Faun,<lb/> in Grauen und Entzückung vor der Meduſa Ron¬<lb/> danini. Wenn das hier Menſchen gebildet hatten,<lb/> Künſtler, was war dann er? Er riß ſeine Karte aus<lb/> der Taſche und zog einen dicken Bleiſtiftſtrich durch<lb/> das Wort „Bildhauer“ unter ſeinem Namen, während<lb/> es ihm heiß und ſtechend in die Augen ſtieg. —<lb/> Seine Schweſter hatte Recht gehabt: ſeines Vaters<lb/> „ſchönes Geſchäft“, die Grabkreuze und abgebrochenen<lb/> Säulen alle nach demſelben Muſter, das war das<lb/> Richtige für ihn. Er mußte ſich Gewalt anthun, um<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0031]
fragte er ſich als der gewiſſenhafte Junge, der er
war, ob er nicht ſeinem Lehrer Wort halten und ſolch
eine verführeriſche Bekanntſchaft von vornherein mei¬
den ſolle; und er erkundigte ſich nicht weiter, obwohl
er beim Hinausgehen noch einen „Ständerling“ mit
der Wirthin hatte über allerlei nothwendige und un¬
verfängliche Dinge.
Mit dem gehobenen Bewußtſein, das der kleinſte
über ſich ſelbſt errungene Sieg verleiht, begab er ſich
auf ſeine erſte Studienfahrt in die Glyptothek.
Wie aber ward dem Neuling hier! Wie ging
ſeine Freude in bloßes Staunen, ſein Staunen in
Schrecken, ſein Erſchrecken in völlige Zerſchmetterung
über. Hier, ach, hier hatte erſt recht Niemand auf
ihn gewartet, — war nicht längſt Alles verſammelt
und tauſendmal ſchöner, als er es auch nur geträumt?
Er ſtand wie betäubt vor dem barbariniſchen Faun,
in Grauen und Entzückung vor der Meduſa Ron¬
danini. Wenn das hier Menſchen gebildet hatten,
Künſtler, was war dann er? Er riß ſeine Karte aus
der Taſche und zog einen dicken Bleiſtiftſtrich durch
das Wort „Bildhauer“ unter ſeinem Namen, während
es ihm heiß und ſtechend in die Augen ſtieg. —
Seine Schweſter hatte Recht gehabt: ſeines Vaters
„ſchönes Geſchäft“, die Grabkreuze und abgebrochenen
Säulen alle nach demſelben Muſter, das war das
Richtige für ihn. Er mußte ſich Gewalt anthun, um
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