nicht mehr gesehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er war auch ganz wie sonst, fast noch bekannter. Er be¬ gleitete mich bis an unser Hotel, wir sprachen soviel zusammen, ich weiß nicht recht was, aber es war Alles interessant. Er fragte mich, ob ich die Baronin Hechingen kenne -- ich war ganz verwundert, daß er sie kennt, denn Ihr wißt ja, wie sie Mama unsym¬ pathisch ist. Und mir erst! Er sagte, er kenne sie nur sehr oberflächlich, also ganz wie wir. Ich habe ihm die Rosenknospe geschenkt, er sieht so unbeschreib¬ lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm auch den Myrthenzweig geben, aber er sagte, den solle ich behalten. Nun haben wir Beide ein "Ri¬ cordo"! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬ hin nicht vergessen, mir scheint es das Schönste von ganz Verona zu sein! Nächster Brief aus Venedig!
Tausend Grüße von Eurer Kläre.
Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.
Venedig, 12. April.
Jetzt sind wir wieder 'mal Alle beisammen, die Familie, die Hechingen und ich! Es ist zum Platzen! Hielt's nicht aus in Vicenza, sonst meine Lieblings¬ stadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬
nicht mehr geſehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er war auch ganz wie ſonſt, faſt noch bekannter. Er be¬ gleitete mich bis an unſer Hôtel, wir ſprachen ſoviel zuſammen, ich weiß nicht recht was, aber es war Alles intereſſant. Er fragte mich, ob ich die Baronin Hechingen kenne — ich war ganz verwundert, daß er ſie kennt, denn Ihr wißt ja, wie ſie Mama unſym¬ pathiſch iſt. Und mir erſt! Er ſagte, er kenne ſie nur ſehr oberflächlich, alſo ganz wie wir. Ich habe ihm die Roſenknoſpe geſchenkt, er ſieht ſo unbeſchreib¬ lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm auch den Myrthenzweig geben, aber er ſagte, den ſolle ich behalten. Nun haben wir Beide ein „Ri¬ cordo“! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬ hin nicht vergeſſen, mir ſcheint es das Schönſte von ganz Verona zu ſein! Nächſter Brief aus Venedig!
Tauſend Grüße von Eurer Kläre.
Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.
Venedig, 12. April.
Jetzt ſind wir wieder 'mal Alle beiſammen, die Familie, die Hechingen und ich! Es iſt zum Platzen! Hielt's nicht aus in Vicenza, ſonſt meine Lieblings¬ ſtadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬
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nicht mehr geſehen. Fragen mocht' ich ihn nicht, er
war auch ganz wie ſonſt, faſt noch bekannter. Er be¬
gleitete mich bis an unſer Hôtel, wir ſprachen ſoviel
zuſammen, ich weiß nicht recht was, aber es war
Alles intereſſant. Er fragte mich, ob ich die Baronin
Hechingen kenne — ich war ganz verwundert, daß er
ſie kennt, denn Ihr wißt ja, wie ſie Mama unſym¬
pathiſch iſt. Und mir erſt! Er ſagte, er kenne ſie
nur ſehr oberflächlich, alſo ganz wie wir. Ich habe
ihm die Roſenknoſpe geſchenkt, er ſieht ſo unbeſchreib¬
lich freundlich aus, wenn er bittet. Ich wollte ihm
auch den Myrthenzweig geben, aber er ſagte, den
ſolle ich behalten. Nun haben wir Beide ein „Ri¬
cordo“! Aber das Grab der Julia würde ich ohne¬
hin nicht vergeſſen, mir ſcheint es das Schönſte von
ganz Verona zu ſein! Nächſter Brief aus Venedig!
Tauſend Grüße
von Eurer Kläre.
Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.
Venedig, 12. April.
Jetzt ſind wir wieder 'mal Alle beiſammen, die
Familie, die Hechingen und ich! Es iſt zum Platzen!
Hielt's nicht aus in Vicenza, ſonſt meine Lieblings¬
ſtadt, auf die ich mich gefreut hatte wie auf eine ge¬
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/252>, abgerufen am 16.02.2025.
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