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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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schrift über den Erbauer dieser großartigen Straße.
Dort kehrte ich um, weil es mir einsam wurde, --
Papa und Mama machten nämlich ihren Nachmit¬
tagsschlaf, und ich war allein weggelaufen. An einem
Wegwärterhäuschen, das ganz verloren neben einem
tiefen Schlunde liegt, in den sich ein Wasserfall er¬
gießt, sah ich wieder Herrn Sch. sitzen und zeichnen.
Er stand aber auf, als ich heran kam, weil er fertig
war, wie er mir erzählte. Da faßte ich mir ein
Herz und bat ihn, mir zu zeigen, was er gemacht
habe. O, meine Evy, welche Enttäuschung stand mir
bevor! Ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen
sollte! Lauter schreckliche Fratzen waren in seinem
Skizzenbuch, Ritter mit ganz dünnen Beinen und
furchtbar großen Füßen nach einwärts, und eine dicke,
runde Frau, die ein bischen aussah, wie die süße
Pommeranze, nur sehr übertrieben, und wen führte
sie am Band? Putzi! Aber nicht meinen kleinen
schönen Putzi, sondern ein dickes Ungeheuer mit vier
Schwefelhölzchen statt der Beine und einem gerin¬
gelten Schwanz, wie eine Wurst! Es kam mir Alles
vor, als ob es aus den "Fliegenden Blättern" ab¬
gezeichnet wäre, und als er mich fragte, was ich dazu
meinte, sagte ich ihm das, was gewiß sehr unartig
war. Er lachte hell auf und sagte, ich hätte ganz
Recht, nur mit dem Unterschied, daß die "Fliegenden
Blätter" diese Sachen von ihm abzeichneten! Nun

ſchrift über den Erbauer dieſer großartigen Straße.
Dort kehrte ich um, weil es mir einſam wurde, —
Papa und Mama machten nämlich ihren Nachmit¬
tagsſchlaf, und ich war allein weggelaufen. An einem
Wegwärterhäuschen, das ganz verloren neben einem
tiefen Schlunde liegt, in den ſich ein Waſſerfall er¬
gießt, ſah ich wieder Herrn Sch. ſitzen und zeichnen.
Er ſtand aber auf, als ich heran kam, weil er fertig
war, wie er mir erzählte. Da faßte ich mir ein
Herz und bat ihn, mir zu zeigen, was er gemacht
habe. O, meine Evy, welche Enttäuſchung ſtand mir
bevor! Ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen
ſollte! Lauter ſchreckliche Fratzen waren in ſeinem
Skizzenbuch, Ritter mit ganz dünnen Beinen und
furchtbar großen Füßen nach einwärts, und eine dicke,
runde Frau, die ein bischen ausſah, wie die ſüße
Pommeranze, nur ſehr übertrieben, und wen führte
ſie am Band? Putzi! Aber nicht meinen kleinen
ſchönen Putzi, ſondern ein dickes Ungeheuer mit vier
Schwefelhölzchen ſtatt der Beine und einem gerin¬
gelten Schwanz, wie eine Wurſt! Es kam mir Alles
vor, als ob es aus den „Fliegenden Blättern“ ab¬
gezeichnet wäre, und als er mich fragte, was ich dazu
meinte, ſagte ich ihm das, was gewiß ſehr unartig
war. Er lachte hell auf und ſagte, ich hätte ganz
Recht, nur mit dem Unterſchied, daß die „Fliegenden
Blätter“ dieſe Sachen von ihm abzeichneten! Nun

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[219/0235] ſchrift über den Erbauer dieſer großartigen Straße. Dort kehrte ich um, weil es mir einſam wurde, — Papa und Mama machten nämlich ihren Nachmit¬ tagsſchlaf, und ich war allein weggelaufen. An einem Wegwärterhäuschen, das ganz verloren neben einem tiefen Schlunde liegt, in den ſich ein Waſſerfall er¬ gießt, ſah ich wieder Herrn Sch. ſitzen und zeichnen. Er ſtand aber auf, als ich heran kam, weil er fertig war, wie er mir erzählte. Da faßte ich mir ein Herz und bat ihn, mir zu zeigen, was er gemacht habe. O, meine Evy, welche Enttäuſchung ſtand mir bevor! Ich wußte nicht, ob ich lachen oder weinen ſollte! Lauter ſchreckliche Fratzen waren in ſeinem Skizzenbuch, Ritter mit ganz dünnen Beinen und furchtbar großen Füßen nach einwärts, und eine dicke, runde Frau, die ein bischen ausſah, wie die ſüße Pommeranze, nur ſehr übertrieben, und wen führte ſie am Band? Putzi! Aber nicht meinen kleinen ſchönen Putzi, ſondern ein dickes Ungeheuer mit vier Schwefelhölzchen ſtatt der Beine und einem gerin¬ gelten Schwanz, wie eine Wurſt! Es kam mir Alles vor, als ob es aus den „Fliegenden Blättern“ ab¬ gezeichnet wäre, und als er mich fragte, was ich dazu meinte, ſagte ich ihm das, was gewiß ſehr unartig war. Er lachte hell auf und ſagte, ich hätte ganz Recht, nur mit dem Unterſchied, daß die „Fliegenden Blätter“ dieſe Sachen von ihm abzeichneten! Nun

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/235>, abgerufen am 28.11.2024.