denkt Euch diese freundlichen Oesterreicher! Er lachte und fragte mich: "Ist das Ihr Hunderl, gnä Fräu¬ lein?" Und als ich schuldbewußt nickte: "O, 's macht nix, der darf schon heraußen bleiben aus sei'm Gefängniß, der darf mitfahren, weil er so schön ist!" Ich hätte ihn umarmen mögen, Papa gab ihm auch gleich ein paar Cigarren, und Mama athmete erleich¬ tert auf und drückte mir die Hand. O, wie schön hätte es nun werden können! Putzi auf meinem Schoß, zwei Pfötchen auf das Fensterrähmchen ge¬ stützt, sah mit seligen Blicken auf die wundervolle Natur hier, die ihm ja auch ganz fremd war; da -- es hatte schon zum zweiten Mal geläutet, rasen zwei Herren daher, daß die Rockschöße fliegen, reißen un¬ sere Wagenthür auf, und der Eine plumpst über Papa's Beine mitten in den Wagen hinein -- Putzi erschreckt sich furchtbar und springt bellend von mei¬ nem Schoß herunter! Hätte ich ihn nicht noch gepackt, er wäre dem alten Herrn, dem Papa und Mama auf¬ halfen, ins Gesicht geschnellt. Der Herr bedankte sich mit einem Knurren und setzte sich dann mir schräg gegenüber, sein rothes Gesicht sah mich zornig an. Der zweite Reisende, ein junger Mann, so groß wie Papa und sehr ernsthaft, nahm den vierten Fenster¬ platz auf derselben Seite mit mir ein, ihm gegenüber saß Papa, Mama mir gegenüber. Der Zug setzte sich in Bewegung, die Lampe war angezündet worden,
Frapan, Bittersüß. 13
denkt Euch dieſe freundlichen Oeſterreicher! Er lachte und fragte mich: „Iſt das Ihr Hunderl, gnä Fräu¬ lein?“ Und als ich ſchuldbewußt nickte: „O, 's macht nix, der darf ſchon heraußen bleiben aus ſei'm Gefängniß, der darf mitfahren, weil er ſo ſchön iſt!“ Ich hätte ihn umarmen mögen, Papa gab ihm auch gleich ein paar Cigarren, und Mama athmete erleich¬ tert auf und drückte mir die Hand. O, wie ſchön hätte es nun werden können! Putzi auf meinem Schoß, zwei Pfötchen auf das Fenſterrähmchen ge¬ ſtützt, ſah mit ſeligen Blicken auf die wundervolle Natur hier, die ihm ja auch ganz fremd war; da — es hatte ſchon zum zweiten Mal geläutet, raſen zwei Herren daher, daß die Rockſchöße fliegen, reißen un¬ ſere Wagenthür auf, und der Eine plumpſt über Papa's Beine mitten in den Wagen hinein — Putzi erſchreckt ſich furchtbar und ſpringt bellend von mei¬ nem Schoß herunter! Hätte ich ihn nicht noch gepackt, er wäre dem alten Herrn, dem Papa und Mama auf¬ halfen, ins Geſicht geſchnellt. Der Herr bedankte ſich mit einem Knurren und ſetzte ſich dann mir ſchräg gegenüber, ſein rothes Geſicht ſah mich zornig an. Der zweite Reiſende, ein junger Mann, ſo groß wie Papa und ſehr ernſthaft, nahm den vierten Fenſter¬ platz auf derſelben Seite mit mir ein, ihm gegenüber ſaß Papa, Mama mir gegenüber. Der Zug ſetzte ſich in Bewegung, die Lampe war angezündet worden,
Frapan, Bitterſüß. 13
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denkt Euch dieſe freundlichen Oeſterreicher! Er lachte
und fragte mich: „Iſt das Ihr Hunderl, gnä Fräu¬
lein?“ Und als ich ſchuldbewußt nickte: „O, 's
macht nix, der darf ſchon heraußen bleiben aus ſei'm
Gefängniß, der darf mitfahren, weil er ſo ſchön iſt!“
Ich hätte ihn umarmen mögen, Papa gab ihm auch
gleich ein paar Cigarren, und Mama athmete erleich¬
tert auf und drückte mir die Hand. O, wie ſchön
hätte es nun werden können! Putzi auf meinem
Schoß, zwei Pfötchen auf das Fenſterrähmchen ge¬
ſtützt, ſah mit ſeligen Blicken auf die wundervolle
Natur hier, die ihm ja auch ganz fremd war; da —
es hatte ſchon zum zweiten Mal geläutet, raſen zwei
Herren daher, daß die Rockſchöße fliegen, reißen un¬
ſere Wagenthür auf, und der Eine plumpſt über
Papa's Beine mitten in den Wagen hinein — Putzi
erſchreckt ſich furchtbar und ſpringt bellend von mei¬
nem Schoß herunter! Hätte ich ihn nicht noch gepackt,
er wäre dem alten Herrn, dem Papa und Mama auf¬
halfen, ins Geſicht geſchnellt. Der Herr bedankte ſich
mit einem Knurren und ſetzte ſich dann mir ſchräg
gegenüber, ſein rothes Geſicht ſah mich zornig an.
Der zweite Reiſende, ein junger Mann, ſo groß wie
Papa und ſehr ernſthaft, nahm den vierten Fenſter¬
platz auf derſelben Seite mit mir ein, ihm gegenüber
ſaß Papa, Mama mir gegenüber. Der Zug ſetzte
ſich in Bewegung, die Lampe war angezündet worden,
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/209>, abgerufen am 16.02.2025.
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