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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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den Lehrstunden bei der Fräulein Erzieherin ist's aus
g'wesen. Ja, wo der Steg niedrig ist, darüber steigt
man gern! Die Prinzeß ist aber drum nit schöner
worden!" Sie lachte höhnisch. "Warum sollt' ich
nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was!
Meinst, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen
willst? Wenn du mich kriegen könnt'st, ohne das,
gelt, Dir wär's noch lieber?"

Sie bückte sich, um in seine Augen zu sehen.

"O, Moni, Du weißt net, was gut und bös'
ischt!" rief Michel.

Sie lachte leichtfertig.

"Bös' ist, wenn man nichts zu essen hat, und
gut ist, wenn man sich lieben thut," scherzte sie und
wollte ihn umarmen.

Aber er schob sie weg.

"'s gaht nemme! 's gaht nemme!" murmelte
er und griff sich an die Stirn.

Da warf sie schmollend die Lippe auf: "Hab'
ich Dir's nicht g'sagt? Weil ich en arm's Madel bin
-- o, so eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt',
der ist treu, dem kannst emal Dein Herz aus¬
schütten --" und wieder begann sie qualvoll zu
weinen.

"Wenn i net mei' Ehr ei'g'setzt hätt'," sagte
Michel zu sich selbst; "wenn i net meines Königs
Rock b'schmutzt und zerrisse hätt', wenn i net -- --"

den Lehrſtunden bei der Fräulein Erzieherin iſt's aus
g'weſen. Ja, wo der Steg niedrig iſt, darüber ſteigt
man gern! Die Prinzeß iſt aber drum nit ſchöner
worden!“ Sie lachte höhniſch. „Warum ſollt' ich
nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was!
Meinſt, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen
willſt? Wenn du mich kriegen könnt'ſt, ohne das,
gelt, Dir wär's noch lieber?“

Sie bückte ſich, um in ſeine Augen zu ſehen.

„O, Moni, Du weißt net, was gut und böſ'
iſcht!“ rief Michel.

Sie lachte leichtfertig.

„Böſ' iſt, wenn man nichts zu eſſen hat, und
gut iſt, wenn man ſich lieben thut,“ ſcherzte ſie und
wollte ihn umarmen.

Aber er ſchob ſie weg.

„'s gaht nemme! 's gaht nemme!“ murmelte
er und griff ſich an die Stirn.

Da warf ſie ſchmollend die Lippe auf: „Hab'
ich Dir's nicht g'ſagt? Weil ich en arm's Madel bin
— o, ſo eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt',
der iſt treu, dem kannſt emal Dein Herz aus¬
ſchütten —“ und wieder begann ſie qualvoll zu
weinen.

„Wenn i net mei' Ehr ei'g'ſetzt hätt',“ ſagte
Michel zu ſich ſelbſt; „wenn i net meines Königs
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[181/0197] den Lehrſtunden bei der Fräulein Erzieherin iſt's aus g'weſen. Ja, wo der Steg niedrig iſt, darüber ſteigt man gern! Die Prinzeß iſt aber drum nit ſchöner worden!“ Sie lachte höhniſch. „Warum ſollt' ich nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was! Meinſt, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen willſt? Wenn du mich kriegen könnt'ſt, ohne das, gelt, Dir wär's noch lieber?“ Sie bückte ſich, um in ſeine Augen zu ſehen. „O, Moni, Du weißt net, was gut und böſ' iſcht!“ rief Michel. Sie lachte leichtfertig. „Böſ' iſt, wenn man nichts zu eſſen hat, und gut iſt, wenn man ſich lieben thut,“ ſcherzte ſie und wollte ihn umarmen. Aber er ſchob ſie weg. „'s gaht nemme! 's gaht nemme!“ murmelte er und griff ſich an die Stirn. Da warf ſie ſchmollend die Lippe auf: „Hab' ich Dir's nicht g'ſagt? Weil ich en arm's Madel bin — o, ſo eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt', der iſt treu, dem kannſt emal Dein Herz aus¬ ſchütten —“ und wieder begann ſie qualvoll zu weinen. „Wenn i net mei' Ehr ei'g'ſetzt hätt',“ ſagte Michel zu ſich ſelbſt; „wenn i net meines Königs Rock b'ſchmutzt und zerriſſe hätt', wenn i net — —“

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/197>, abgerufen am 21.12.2024.