Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Ohren war ein dumpfes Brausen, er hörte noch
wie aus weiter Ferne die Worte. "Der hat g'nueg,"
dann nichts weiter. Eine schwere, leblose Masse sank
er zu Boden. --

Als er wieder zu sich kam, fand er sich mit Ver¬
wunderung auf einem Sopha liegen, in Hemdärmeln,
einen nassen Lappen auf der Stirn. Er blickte um
sich, da war es ein kleines halbdunkles Zimmer, in
dem er lag, und wie er sich aufrichtete, sagte jemand
in zufriedenem Ton: "No, jetzt, descht g'scheid, daß
Se wieder zu sich komme send!" Und eine Frau in
mittleren Jahren erhob sich mit ihrer Näharbeit und
kam auf ihn zu: "'s ischt, scheint's, e bissele wild
drübe zugange, i ben nämlich d' Frau vom Herrn
Scheckg, -- junge Leut send scho' e bissele hitzig, u
raufe thue se älle gern. No ischt Ihne schlecht worde,
u mei Mann, der Schmied u zwei G'selle hänt Se
bei Kopf u Füß do herei' g'schleift, jo, daß doch kei
Schutzma' dazwische' nei'kommt, jo, u e kloiner Riß
ischt in d' Uniform 'nei'komme, no näh i 's Ihne
g'schwind zu, jo!"

Michel setzte sich auf und hielt den Kopf mit
beiden Händen. Das Besinnen ward ihm noch schwer,
sonst fühlte er sich wohl genug, um heimzugehen.
Die Rücksicht, die seine Gegner auf ihn genommen,
war zwar nicht ganz uneigennützig, aber sie erfüllte
ihn dennoch mit Dankbarkeit. Er trat auf die lang¬

ſeinen Ohren war ein dumpfes Brauſen, er hörte noch
wie aus weiter Ferne die Worte. „Der hat g'nueg,“
dann nichts weiter. Eine ſchwere, lebloſe Maſſe ſank
er zu Boden. —

Als er wieder zu ſich kam, fand er ſich mit Ver¬
wunderung auf einem Sopha liegen, in Hemdärmeln,
einen naſſen Lappen auf der Stirn. Er blickte um
ſich, da war es ein kleines halbdunkles Zimmer, in
dem er lag, und wie er ſich aufrichtete, ſagte jemand
in zufriedenem Ton: „No, jetzt, deſcht g'ſcheid, daß
Se wieder zu ſich komme ſend!“ Und eine Frau in
mittleren Jahren erhob ſich mit ihrer Näharbeit und
kam auf ihn zu: „'s iſcht, ſcheint's, e biſſele wild
drübe zugange, i ben nämlich d' Frau vom Herrn
Scheckg, — junge Leut ſend ſcho' e biſſele hitzig, u
raufe thue ſe älle gern. No iſcht Ihne ſchlecht worde,
u mei Mann, der Schmied u zwei G'ſelle hänt Se
bei Kopf u Füß do herei' g'ſchleift, jo, daß doch kei
Schutzma' dazwiſche' nei'kommt, jo, u e kloiner Riß
iſcht in d' Uniform 'nei'komme, no näh i 's Ihne
g'ſchwind zu, jo!“

Michel ſetzte ſich auf und hielt den Kopf mit
beiden Händen. Das Beſinnen ward ihm noch ſchwer,
ſonſt fühlte er ſich wohl genug, um heimzugehen.
Die Rückſicht, die ſeine Gegner auf ihn genommen,
war zwar nicht ganz uneigennützig, aber ſie erfüllte
ihn dennoch mit Dankbarkeit. Er trat auf die lang¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="171"/>
&#x017F;einen Ohren war ein dumpfes Brau&#x017F;en, er hörte noch<lb/>
wie aus weiter Ferne die Worte. &#x201E;Der hat g'nueg,&#x201C;<lb/>
dann nichts weiter. Eine &#x017F;chwere, leblo&#x017F;e Ma&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ank<lb/>
er zu Boden. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als er wieder zu &#x017F;ich kam, fand er &#x017F;ich mit Ver¬<lb/>
wunderung auf einem Sopha liegen, in Hemdärmeln,<lb/>
einen na&#x017F;&#x017F;en Lappen auf der Stirn. Er blickte um<lb/>
&#x017F;ich, da war es ein kleines halbdunkles Zimmer, in<lb/>
dem er lag, und wie er &#x017F;ich aufrichtete, &#x017F;agte jemand<lb/>
in zufriedenem Ton: &#x201E;No, jetzt, de&#x017F;cht g'&#x017F;cheid, daß<lb/>
Se wieder zu &#x017F;ich komme &#x017F;end!&#x201C; Und eine Frau in<lb/>
mittleren Jahren erhob &#x017F;ich mit ihrer Näharbeit und<lb/>
kam auf ihn zu: &#x201E;'s i&#x017F;cht, &#x017F;cheint's, e bi&#x017F;&#x017F;ele wild<lb/>
drübe zugange, i ben nämlich d' Frau vom Herrn<lb/>
Scheckg, &#x2014; junge Leut &#x017F;end &#x017F;cho' e bi&#x017F;&#x017F;ele hitzig, u<lb/>
raufe thue &#x017F;e älle gern. No i&#x017F;cht Ihne &#x017F;chlecht worde,<lb/>
u mei Mann, der Schmied u zwei G'&#x017F;elle hänt Se<lb/>
bei Kopf u Füß do herei' g'&#x017F;chleift, jo, daß doch kei<lb/>
Schutzma' dazwi&#x017F;che' nei'kommt, jo, u e kloiner Riß<lb/>
i&#x017F;cht in d' Uniform 'nei'komme, no näh i 's Ihne<lb/>
g'&#x017F;chwind zu, jo!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Michel &#x017F;etzte &#x017F;ich auf und hielt den Kopf mit<lb/>
beiden Händen. Das Be&#x017F;innen ward ihm noch &#x017F;chwer,<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t fühlte er &#x017F;ich wohl genug, um heimzugehen.<lb/>
Die Rück&#x017F;icht, die &#x017F;eine Gegner auf ihn genommen,<lb/>
war zwar nicht ganz uneigennützig, aber &#x017F;ie erfüllte<lb/>
ihn dennoch mit Dankbarkeit. Er trat auf die lang¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0187] ſeinen Ohren war ein dumpfes Brauſen, er hörte noch wie aus weiter Ferne die Worte. „Der hat g'nueg,“ dann nichts weiter. Eine ſchwere, lebloſe Maſſe ſank er zu Boden. — Als er wieder zu ſich kam, fand er ſich mit Ver¬ wunderung auf einem Sopha liegen, in Hemdärmeln, einen naſſen Lappen auf der Stirn. Er blickte um ſich, da war es ein kleines halbdunkles Zimmer, in dem er lag, und wie er ſich aufrichtete, ſagte jemand in zufriedenem Ton: „No, jetzt, deſcht g'ſcheid, daß Se wieder zu ſich komme ſend!“ Und eine Frau in mittleren Jahren erhob ſich mit ihrer Näharbeit und kam auf ihn zu: „'s iſcht, ſcheint's, e biſſele wild drübe zugange, i ben nämlich d' Frau vom Herrn Scheckg, — junge Leut ſend ſcho' e biſſele hitzig, u raufe thue ſe älle gern. No iſcht Ihne ſchlecht worde, u mei Mann, der Schmied u zwei G'ſelle hänt Se bei Kopf u Füß do herei' g'ſchleift, jo, daß doch kei Schutzma' dazwiſche' nei'kommt, jo, u e kloiner Riß iſcht in d' Uniform 'nei'komme, no näh i 's Ihne g'ſchwind zu, jo!“ Michel ſetzte ſich auf und hielt den Kopf mit beiden Händen. Das Beſinnen ward ihm noch ſchwer, ſonſt fühlte er ſich wohl genug, um heimzugehen. Die Rückſicht, die ſeine Gegner auf ihn genommen, war zwar nicht ganz uneigennützig, aber ſie erfüllte ihn dennoch mit Dankbarkeit. Er trat auf die lang¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/187
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/187>, abgerufen am 25.11.2024.