Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Pflaster glühte durch die Stiefelsohlen, die Häuser¬
mauern strahlten die eingesogene Hitze von sich,
daß man ihnen nicht nah kommen mochte. Der
Unteroffizier Michel Scheitlin fühlte zudem seine Kehle
trocken von dem vielen ungewohnten Reden; er war
sonst ein Mann von wenig Worten. So ging er
denn in eine Weinwirthschaft, setzte sich hinter einem
Schoppen Fellbacher nieder und vertiefte sich mehr und
mehr in sein behagliches Brüten. Ein lautes Stim¬
mengeräusch weckte ihn daraus. Nein, hier in dem
kleinen, schon halb dämmrigen Zimmer war es nicht,
es war im Hinterhaus, in der Schmiede, deren Feuer
rothe Lichter über den engen dazwischenliegenden Hof
mit seinem schwarzen Eisengerümpel warf. Neugierig
bog er sich zum offenen Fenster hinaus, da erkannte
er in einer dichten, dunkeln Gruppe, unweit der Thür,
zwei Frauenzimmer, ein untersetztes, dickes, auf dessen
rothes Gesicht der volle Lichtschein fiel, und ein
schlankes, dessen weißer Schurz zwischen den schwarzen
Schmiedegesellen hell vorleuchtete.

"Ha, da ischt ja d' Monika!" entschlüpfte es
ihm ganz laut in der Ueberraschung. Es war aber
niemand da, ihn zu hören, die Wirthin stand schon
horchend auf dem Hof, Gäste gab es keine. Er faßte
nach der Klinke der Hinterthür, sie gab gleich nach,
und nun stand er neben der Wirthin und fragte im
Vorübergehen: "Ja, was gibt's denn do?" Und

Pflaſter glühte durch die Stiefelſohlen, die Häuſer¬
mauern ſtrahlten die eingeſogene Hitze von ſich,
daß man ihnen nicht nah kommen mochte. Der
Unteroffizier Michel Scheitlin fühlte zudem ſeine Kehle
trocken von dem vielen ungewohnten Reden; er war
ſonſt ein Mann von wenig Worten. So ging er
denn in eine Weinwirthſchaft, ſetzte ſich hinter einem
Schoppen Fellbacher nieder und vertiefte ſich mehr und
mehr in ſein behagliches Brüten. Ein lautes Stim¬
mengeräuſch weckte ihn daraus. Nein, hier in dem
kleinen, ſchon halb dämmrigen Zimmer war es nicht,
es war im Hinterhaus, in der Schmiede, deren Feuer
rothe Lichter über den engen dazwiſchenliegenden Hof
mit ſeinem ſchwarzen Eiſengerümpel warf. Neugierig
bog er ſich zum offenen Fenſter hinaus, da erkannte
er in einer dichten, dunkeln Gruppe, unweit der Thür,
zwei Frauenzimmer, ein unterſetztes, dickes, auf deſſen
rothes Geſicht der volle Lichtſchein fiel, und ein
ſchlankes, deſſen weißer Schurz zwiſchen den ſchwarzen
Schmiedegeſellen hell vorleuchtete.

„Ha, da iſcht ja d' Monika!“ entſchlüpfte es
ihm ganz laut in der Ueberraſchung. Es war aber
niemand da, ihn zu hören, die Wirthin ſtand ſchon
horchend auf dem Hof, Gäſte gab es keine. Er faßte
nach der Klinke der Hinterthür, ſie gab gleich nach,
und nun ſtand er neben der Wirthin und fragte im
Vorübergehen: „Ja, was gibt's denn do?“ Und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="164"/>
Pfla&#x017F;ter glühte durch die Stiefel&#x017F;ohlen, die Häu&#x017F;er¬<lb/>
mauern &#x017F;trahlten die einge&#x017F;ogene Hitze von &#x017F;ich,<lb/>
daß man ihnen nicht nah kommen mochte. Der<lb/>
Unteroffizier Michel Scheitlin fühlte zudem &#x017F;eine Kehle<lb/>
trocken von dem vielen ungewohnten Reden; er war<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t ein Mann von wenig Worten. So ging er<lb/>
denn in eine Weinwirth&#x017F;chaft, &#x017F;etzte &#x017F;ich hinter einem<lb/>
Schoppen Fellbacher nieder und vertiefte &#x017F;ich mehr und<lb/>
mehr in &#x017F;ein behagliches Brüten. Ein lautes Stim¬<lb/>
mengeräu&#x017F;ch weckte ihn daraus. Nein, hier in dem<lb/>
kleinen, &#x017F;chon halb dämmrigen Zimmer war es nicht,<lb/>
es war im Hinterhaus, in der Schmiede, deren Feuer<lb/>
rothe Lichter über den engen dazwi&#x017F;chenliegenden Hof<lb/>
mit &#x017F;einem &#x017F;chwarzen Ei&#x017F;engerümpel warf. Neugierig<lb/>
bog er &#x017F;ich zum offenen Fen&#x017F;ter hinaus, da erkannte<lb/>
er in einer dichten, dunkeln Gruppe, unweit der Thür,<lb/>
zwei Frauenzimmer, ein unter&#x017F;etztes, dickes, auf de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
rothes Ge&#x017F;icht der volle Licht&#x017F;chein fiel, und ein<lb/>
&#x017F;chlankes, de&#x017F;&#x017F;en weißer Schurz zwi&#x017F;chen den &#x017F;chwarzen<lb/>
Schmiedege&#x017F;ellen hell vorleuchtete.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ha, da i&#x017F;cht ja d' Monika!&#x201C; ent&#x017F;chlüpfte es<lb/>
ihm ganz laut in der Ueberra&#x017F;chung. Es war aber<lb/>
niemand da, ihn zu hören, die Wirthin &#x017F;tand &#x017F;chon<lb/>
horchend auf dem Hof, Gä&#x017F;te gab es keine. Er faßte<lb/>
nach der Klinke der Hinterthür, &#x017F;ie gab gleich nach,<lb/>
und nun &#x017F;tand er neben der Wirthin und fragte im<lb/>
Vorübergehen: &#x201E;Ja, was gibt's denn do?&#x201C; Und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0180] Pflaſter glühte durch die Stiefelſohlen, die Häuſer¬ mauern ſtrahlten die eingeſogene Hitze von ſich, daß man ihnen nicht nah kommen mochte. Der Unteroffizier Michel Scheitlin fühlte zudem ſeine Kehle trocken von dem vielen ungewohnten Reden; er war ſonſt ein Mann von wenig Worten. So ging er denn in eine Weinwirthſchaft, ſetzte ſich hinter einem Schoppen Fellbacher nieder und vertiefte ſich mehr und mehr in ſein behagliches Brüten. Ein lautes Stim¬ mengeräuſch weckte ihn daraus. Nein, hier in dem kleinen, ſchon halb dämmrigen Zimmer war es nicht, es war im Hinterhaus, in der Schmiede, deren Feuer rothe Lichter über den engen dazwiſchenliegenden Hof mit ſeinem ſchwarzen Eiſengerümpel warf. Neugierig bog er ſich zum offenen Fenſter hinaus, da erkannte er in einer dichten, dunkeln Gruppe, unweit der Thür, zwei Frauenzimmer, ein unterſetztes, dickes, auf deſſen rothes Geſicht der volle Lichtſchein fiel, und ein ſchlankes, deſſen weißer Schurz zwiſchen den ſchwarzen Schmiedegeſellen hell vorleuchtete. „Ha, da iſcht ja d' Monika!“ entſchlüpfte es ihm ganz laut in der Ueberraſchung. Es war aber niemand da, ihn zu hören, die Wirthin ſtand ſchon horchend auf dem Hof, Gäſte gab es keine. Er faßte nach der Klinke der Hinterthür, ſie gab gleich nach, und nun ſtand er neben der Wirthin und fragte im Vorübergehen: „Ja, was gibt's denn do?“ Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/180
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/180>, abgerufen am 22.12.2024.