-- es ist eine gute Milch, frisch gemolken, da müßt Ihr mithalten," sagte Marianne eifrig und machte dem Paare Platz auf der Bank.
"Und hier bist Du!" sagte Loni, noch immer verwundert.
"Hier bin ich."
Ein kleines Kind kam heran und legte ihr ein Sträußchen in den Schoß. Ein anderes umklam¬ merte, hinter der Bank stehend, ihren Hals. Mari¬ anne legte ihre Hand auf die zwei verschlungenen Kinderhändchen und sah den Freunden ruhig in die Augen.
"Sie sind wohl recht brav und haben Dich lieb, gelt?" meinte Loni.
"'s passirt," erwiderte Marianne lächelnd und den kleinen Kopf streichelnd, der sich von hinten jetzt auf ihre Schulter legte. "Sie können auch singen."
Das Wort schien ein Lockruf zu sein. Mehr Kinder kamen heran und stellten sich um die Bank auf. Einige tasteten sich mühsam vorwärts, aber immer war ein Schwesterärmchen da, das zu rechter Zeit half und stützte. Die älteren Zöglinge bewegten sich mit ziemlicher Sicherheit.
Marianne gab den Ton an, dann begannen sie, hell und rein wie Vögel und ebenso froh; die noch am Boden gekauert hatten, richteten sich nacheinander auf und fielen ein: "Gang i ans Brünnele, trink
— es iſt eine gute Milch, friſch gemolken, da müßt Ihr mithalten,“ ſagte Marianne eifrig und machte dem Paare Platz auf der Bank.
„Und hier biſt Du!“ ſagte Loni, noch immer verwundert.
„Hier bin ich.“
Ein kleines Kind kam heran und legte ihr ein Sträußchen in den Schoß. Ein anderes umklam¬ merte, hinter der Bank ſtehend, ihren Hals. Mari¬ anne legte ihre Hand auf die zwei verſchlungenen Kinderhändchen und ſah den Freunden ruhig in die Augen.
„Sie ſind wohl recht brav und haben Dich lieb, gelt?“ meinte Loni.
„'s paſſirt,“ erwiderte Marianne lächelnd und den kleinen Kopf ſtreichelnd, der ſich von hinten jetzt auf ihre Schulter legte. „Sie können auch ſingen.“
Das Wort ſchien ein Lockruf zu ſein. Mehr Kinder kamen heran und ſtellten ſich um die Bank auf. Einige taſteten ſich mühſam vorwärts, aber immer war ein Schweſterärmchen da, das zu rechter Zeit half und ſtützte. Die älteren Zöglinge bewegten ſich mit ziemlicher Sicherheit.
Marianne gab den Ton an, dann begannen ſie, hell und rein wie Vögel und ebenſo froh; die noch am Boden gekauert hatten, richteten ſich nacheinander auf und fielen ein: „Gang i ans Brünnele, trink
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— es iſt eine gute Milch, friſch gemolken, da müßt
Ihr mithalten,“ ſagte Marianne eifrig und machte
dem Paare Platz auf der Bank.
„Und hier biſt Du!“ ſagte Loni, noch immer
verwundert.
„Hier bin ich.“
Ein kleines Kind kam heran und legte ihr ein
Sträußchen in den Schoß. Ein anderes umklam¬
merte, hinter der Bank ſtehend, ihren Hals. Mari¬
anne legte ihre Hand auf die zwei verſchlungenen
Kinderhändchen und ſah den Freunden ruhig in die
Augen.
„Sie ſind wohl recht brav und haben Dich lieb,
gelt?“ meinte Loni.
„'s paſſirt,“ erwiderte Marianne lächelnd und
den kleinen Kopf ſtreichelnd, der ſich von hinten jetzt
auf ihre Schulter legte. „Sie können auch ſingen.“
Das Wort ſchien ein Lockruf zu ſein. Mehr
Kinder kamen heran und ſtellten ſich um die Bank
auf. Einige taſteten ſich mühſam vorwärts, aber
immer war ein Schweſterärmchen da, das zu rechter
Zeit half und ſtützte. Die älteren Zöglinge bewegten
ſich mit ziemlicher Sicherheit.
Marianne gab den Ton an, dann begannen ſie,
hell und rein wie Vögel und ebenſo froh; die noch
am Boden gekauert hatten, richteten ſich nacheinander
auf und fielen ein: „Gang i ans Brünnele, trink
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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