darunter. Sie hörten dort lachen und singen; eine frohe Kinderschar drängte sich um die Bank, Andere lagen, Blumen und Halme zusammenbindend, im Gras. An der Bank ward zu trinken geschenkt. Ein schlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die Gläser aus einem großen Eimer; das Fräulein auf der Bank reichte sie umher, eben hielt sie einem Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein wenig das Gesicht, das ein großer dunkler Strohhut beschattete. Wolff drückte Loni's Arm:
"Da ist sie ja! Da ist sie!"
Und nun sah sie die Beiden und stellte das Glas auf die Bank, um den Freunden die freien, ausgestreckten Hände zu reichen. Es lag etwas so Frisches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß der tiefen weichen Stimme klang so vertraut, so un¬ verändert, so aus der Seele, daß es dem Manne warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene ohne Umstände mit beiden Armen umschlang und küßte.
Marianne ließ sich geduldig so halten, sie ruhte einen Augenblick still in Freundesarmen und sah ganz aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine scharfe bräunliche Gesichtchen; es war nicht ganz das frühere, hier schien etwas aufgewacht zu sein, von dem Loni Spitzer wohl selber kaum geträumt hatte.
"Bring doch geschwind noch zwei Gläser, Nanele,
darunter. Sie hörten dort lachen und ſingen; eine frohe Kinderſchar drängte ſich um die Bank, Andere lagen, Blumen und Halme zuſammenbindend, im Gras. An der Bank ward zu trinken geſchenkt. Ein ſchlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die Gläſer aus einem großen Eimer; das Fräulein auf der Bank reichte ſie umher, eben hielt ſie einem Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein wenig das Geſicht, das ein großer dunkler Strohhut beſchattete. Wolff drückte Loni's Arm:
„Da iſt ſie ja! Da iſt ſie!“
Und nun ſah ſie die Beiden und ſtellte das Glas auf die Bank, um den Freunden die freien, ausgeſtreckten Hände zu reichen. Es lag etwas ſo Friſches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß der tiefen weichen Stimme klang ſo vertraut, ſo un¬ verändert, ſo aus der Seele, daß es dem Manne warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene ohne Umſtände mit beiden Armen umſchlang und küßte.
Marianne ließ ſich geduldig ſo halten, ſie ruhte einen Augenblick ſtill in Freundesarmen und ſah ganz aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine ſcharfe bräunliche Geſichtchen; es war nicht ganz das frühere, hier ſchien etwas aufgewacht zu ſein, von dem Loni Spitzer wohl ſelber kaum geträumt hatte.
„Bring doch geſchwind noch zwei Gläſer, Nanele,
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darunter. Sie hörten dort lachen und ſingen; eine
frohe Kinderſchar drängte ſich um die Bank, Andere
lagen, Blumen und Halme zuſammenbindend, im
Gras. An der Bank ward zu trinken geſchenkt. Ein
ſchlankes, halb ländlich gekleidetes Mädchen füllte die
Gläſer aus einem großen Eimer; das Fräulein auf
der Bank reichte ſie umher, eben hielt ſie einem
Kinde den Trank an die Lippen. Sie hob dabei ein
wenig das Geſicht, das ein großer dunkler Strohhut
beſchattete. Wolff drückte Loni's Arm:
„Da iſt ſie ja! Da iſt ſie!“
Und nun ſah ſie die Beiden und ſtellte das
Glas auf die Bank, um den Freunden die freien,
ausgeſtreckten Hände zu reichen. Es lag etwas ſo
Friſches und Freudiges in ihrer Gebärde, der Gruß
der tiefen weichen Stimme klang ſo vertraut, ſo un¬
verändert, ſo aus der Seele, daß es dem Manne
warm emporquoll, und daß Loni die Wiedergefundene
ohne Umſtände mit beiden Armen umſchlang und
küßte.
Marianne ließ ſich geduldig ſo halten, ſie ruhte
einen Augenblick ſtill in Freundesarmen und ſah ganz
aus der Nähe prüfend und lächelnd in das feine
ſcharfe bräunliche Geſichtchen; es war nicht ganz das
frühere, hier ſchien etwas aufgewacht zu ſein, von
dem Loni Spitzer wohl ſelber kaum geträumt hatte.
„Bring doch geſchwind noch zwei Gläſer, Nanele,
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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