Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

nach einer Weile herein, Alfred sah in dem schwachen
Dämmerlicht den großaufgerissenen Mund.

"War Jemand hier? Hast Du Jemand ge¬
sehen, Leo?"

"Na!" sagte der Junge kopfschüttelnd und gähnte
laut und nachdrücklich.

"So leg' Dich wieder hin," befahl Alfred,
"schlaf nur."

Der Junge nickte bereitwillig mit dem Kopf;
kaum war er fort, so tönte schon wieder sein Schnar¬
chen aus dem Nebenzimmer.

Alfred lag wach bis an den Morgen, dann fiel
er noch einmal in tiefen Schlaf.

Er erwachte davon, daß er seine Schulter be¬
rührt fand.

"Heute also haben wir den großen Tag," sagte
die Stimme des Arztes. "Ich wundere mich ganz,
Sie noch so vertieft zu finden."

"Heute also," erwiderte Alfred mit einem tiefen
Aufathmen, das fast einem Seufzer glich. "Haben
Sie das Fräulein schon gesprochen?" --

"Ich komme erst eben, wir bedürfen übrigens
ihres Beistandes nicht. Wissen Sie was? Sie klei¬
den sich geschwind an, und ich führe Sie hinüber --
Fräulein Einsele wohnt doch drüben? -- Das wird
eine Ueberraschung sein, was? Aber eilen müssen
Sie! Um 9 Uhr fängt meine Sprechstunde an."

nach einer Weile herein, Alfred ſah in dem ſchwachen
Dämmerlicht den großaufgeriſſenen Mund.

„War Jemand hier? Haſt Du Jemand ge¬
ſehen, Leo?“

„Na!“ ſagte der Junge kopfſchüttelnd und gähnte
laut und nachdrücklich.

„So leg' Dich wieder hin,“ befahl Alfred,
„ſchlaf nur.“

Der Junge nickte bereitwillig mit dem Kopf;
kaum war er fort, ſo tönte ſchon wieder ſein Schnar¬
chen aus dem Nebenzimmer.

Alfred lag wach bis an den Morgen, dann fiel
er noch einmal in tiefen Schlaf.

Er erwachte davon, daß er ſeine Schulter be¬
rührt fand.

„Heute alſo haben wir den großen Tag,“ ſagte
die Stimme des Arztes. „Ich wundere mich ganz,
Sie noch ſo vertieft zu finden.“

„Heute alſo,“ erwiderte Alfred mit einem tiefen
Aufathmen, das faſt einem Seufzer glich. „Haben
Sie das Fräulein ſchon geſprochen?“ —

„Ich komme erſt eben, wir bedürfen übrigens
ihres Beiſtandes nicht. Wiſſen Sie was? Sie klei¬
den ſich geſchwind an, und ich führe Sie hinüber —
Fräulein Einſele wohnt doch drüben? — Das wird
eine Ueberraſchung ſein, was? Aber eilen müſſen
Sie! Um 9 Uhr fängt meine Sprechſtunde an.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="130"/>
nach einer Weile herein, Alfred &#x017F;ah in dem &#x017F;chwachen<lb/>
Dämmerlicht den großaufgeri&#x017F;&#x017F;enen Mund.</p><lb/>
        <p>&#x201E;War Jemand hier? Ha&#x017F;t Du Jemand ge¬<lb/>
&#x017F;ehen, Leo?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Na!&#x201C; &#x017F;agte der Junge kopf&#x017F;chüttelnd und gähnte<lb/>
laut und nachdrücklich.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So leg' Dich wieder hin,&#x201C; befahl Alfred,<lb/>
&#x201E;&#x017F;chlaf nur.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Junge nickte bereitwillig mit dem Kopf;<lb/>
kaum war er fort, &#x017F;o tönte &#x017F;chon wieder &#x017F;ein Schnar¬<lb/>
chen aus dem Nebenzimmer.</p><lb/>
        <p>Alfred lag wach bis an den Morgen, dann fiel<lb/>
er noch einmal in tiefen Schlaf.</p><lb/>
        <p>Er erwachte davon, daß er &#x017F;eine Schulter be¬<lb/>
rührt fand.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Heute al&#x017F;o haben wir den großen Tag,&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
die Stimme des Arztes. &#x201E;Ich wundere mich ganz,<lb/>
Sie noch &#x017F;o vertieft zu finden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Heute al&#x017F;o,&#x201C; erwiderte Alfred mit einem tiefen<lb/>
Aufathmen, das fa&#x017F;t einem Seufzer glich. &#x201E;Haben<lb/>
Sie das Fräulein &#x017F;chon ge&#x017F;prochen?&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich komme er&#x017F;t eben, wir bedürfen übrigens<lb/>
ihres Bei&#x017F;tandes nicht. Wi&#x017F;&#x017F;en Sie was? Sie klei¬<lb/>
den &#x017F;ich ge&#x017F;chwind an, und ich führe Sie hinüber &#x2014;<lb/>
Fräulein Ein&#x017F;ele wohnt doch drüben? &#x2014; Das wird<lb/>
eine Ueberra&#x017F;chung &#x017F;ein, was? Aber eilen mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie! Um 9 Uhr fängt meine Sprech&#x017F;tunde an.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0146] nach einer Weile herein, Alfred ſah in dem ſchwachen Dämmerlicht den großaufgeriſſenen Mund. „War Jemand hier? Haſt Du Jemand ge¬ ſehen, Leo?“ „Na!“ ſagte der Junge kopfſchüttelnd und gähnte laut und nachdrücklich. „So leg' Dich wieder hin,“ befahl Alfred, „ſchlaf nur.“ Der Junge nickte bereitwillig mit dem Kopf; kaum war er fort, ſo tönte ſchon wieder ſein Schnar¬ chen aus dem Nebenzimmer. Alfred lag wach bis an den Morgen, dann fiel er noch einmal in tiefen Schlaf. Er erwachte davon, daß er ſeine Schulter be¬ rührt fand. „Heute alſo haben wir den großen Tag,“ ſagte die Stimme des Arztes. „Ich wundere mich ganz, Sie noch ſo vertieft zu finden.“ „Heute alſo,“ erwiderte Alfred mit einem tiefen Aufathmen, das faſt einem Seufzer glich. „Haben Sie das Fräulein ſchon geſprochen?“ — „Ich komme erſt eben, wir bedürfen übrigens ihres Beiſtandes nicht. Wiſſen Sie was? Sie klei¬ den ſich geſchwind an, und ich führe Sie hinüber — Fräulein Einſele wohnt doch drüben? — Das wird eine Ueberraſchung ſein, was? Aber eilen müſſen Sie! Um 9 Uhr fängt meine Sprechſtunde an.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/146
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/146>, abgerufen am 22.11.2024.