Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

hältst mich für einen redlichen Menschen, aber ich bin
falsch gewesen, -- es ist vielleicht eine Strafe, daß
ich am Tag darauf das Unglück haben mußte."

"An solche Strafen glaub' ich nicht, aber er¬
zähl'," sagte sie ernsthaft.

Er beichtete nun, es ging wie ein Strom; er
konnte kaum ein Ende finden mit Selbstanklagen und
malte sich schwarz und schwärzer bis zu jenem Kuß
an der Gartenpforte.

"Und dann?" fragte sie.

"Dann kam die Krankheit und bewahrte mich
vor weiterem Wortbruch," seufzte er.

"War kein guter Entschluß vorangegangen?"

"Ich schwankte zwischen Reue und Verliebtheit!
Armer Freund! Armes Mädchen!"

Ein leises Lachen unterbrach ihn, es klang wie
Spott.

"Marianne?" rief er verwundert.

"Alfred?"

"Nun? Du lachst?"

"Ihr seid närrische Leut'!" erwiderte sie. "Ein
Mädchen mit so glänzendem Haar! Glaub' mir, dem
ist Dein Kuß wer weiß wie lang' wieder aus den
Locken gefallen! Wer dahinein eine Rose steckt, der
soll sie fein fest stecken, sonst haftet sie nicht lang.
Liebst Du sie denn?"

"Nein!" betheuerte er hastig.

hältſt mich für einen redlichen Menſchen, aber ich bin
falſch geweſen, — es iſt vielleicht eine Strafe, daß
ich am Tag darauf das Unglück haben mußte.“

„An ſolche Strafen glaub' ich nicht, aber er¬
zähl',“ ſagte ſie ernſthaft.

Er beichtete nun, es ging wie ein Strom; er
konnte kaum ein Ende finden mit Selbſtanklagen und
malte ſich ſchwarz und ſchwärzer bis zu jenem Kuß
an der Gartenpforte.

„Und dann?“ fragte ſie.

„Dann kam die Krankheit und bewahrte mich
vor weiterem Wortbruch,“ ſeufzte er.

„War kein guter Entſchluß vorangegangen?“

„Ich ſchwankte zwiſchen Reue und Verliebtheit!
Armer Freund! Armes Mädchen!“

Ein leiſes Lachen unterbrach ihn, es klang wie
Spott.

„Marianne?“ rief er verwundert.

„Alfred?“

„Nun? Du lachſt?“

„Ihr ſeid närriſche Leut'!“ erwiderte ſie. „Ein
Mädchen mit ſo glänzendem Haar! Glaub' mir, dem
iſt Dein Kuß wer weiß wie lang' wieder aus den
Locken gefallen! Wer dahinein eine Roſe ſteckt, der
ſoll ſie fein feſt ſtecken, ſonſt haftet ſie nicht lang.
Liebſt Du ſie denn?“

„Nein!“ betheuerte er haſtig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="96"/>
hält&#x017F;t mich für einen redlichen Men&#x017F;chen, aber ich bin<lb/>
fal&#x017F;ch gewe&#x017F;en, &#x2014; es i&#x017F;t vielleicht eine Strafe, daß<lb/>
ich am Tag darauf das Unglück haben mußte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;An &#x017F;olche Strafen glaub' ich nicht, aber er¬<lb/>
zähl',&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ie ern&#x017F;thaft.</p><lb/>
        <p>Er beichtete nun, es ging wie ein Strom; er<lb/>
konnte kaum ein Ende finden mit Selb&#x017F;tanklagen und<lb/>
malte &#x017F;ich &#x017F;chwarz und &#x017F;chwärzer bis zu jenem Kuß<lb/>
an der Gartenpforte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dann?&#x201C; fragte &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dann kam die Krankheit und bewahrte mich<lb/>
vor weiterem Wortbruch,&#x201C; &#x017F;eufzte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;War kein guter Ent&#x017F;chluß vorangegangen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;chwankte zwi&#x017F;chen Reue und Verliebtheit!<lb/>
Armer Freund! Armes Mädchen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ein lei&#x017F;es Lachen unterbrach ihn, es klang wie<lb/>
Spott.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Marianne?&#x201C; rief er verwundert.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alfred?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun? Du lach&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr &#x017F;eid närri&#x017F;che Leut'!&#x201C; erwiderte &#x017F;ie. &#x201E;Ein<lb/>
Mädchen mit &#x017F;o glänzendem Haar! Glaub' mir, dem<lb/>
i&#x017F;t Dein Kuß wer weiß wie lang' wieder aus den<lb/>
Locken gefallen! Wer dahinein eine Ro&#x017F;e &#x017F;teckt, der<lb/>
&#x017F;oll &#x017F;ie fein fe&#x017F;t &#x017F;tecken, &#x017F;on&#x017F;t haftet &#x017F;ie nicht lang.<lb/>
Lieb&#x017F;t Du &#x017F;ie denn?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein!&#x201C; betheuerte er ha&#x017F;tig.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0112] hältſt mich für einen redlichen Menſchen, aber ich bin falſch geweſen, — es iſt vielleicht eine Strafe, daß ich am Tag darauf das Unglück haben mußte.“ „An ſolche Strafen glaub' ich nicht, aber er¬ zähl',“ ſagte ſie ernſthaft. Er beichtete nun, es ging wie ein Strom; er konnte kaum ein Ende finden mit Selbſtanklagen und malte ſich ſchwarz und ſchwärzer bis zu jenem Kuß an der Gartenpforte. „Und dann?“ fragte ſie. „Dann kam die Krankheit und bewahrte mich vor weiterem Wortbruch,“ ſeufzte er. „War kein guter Entſchluß vorangegangen?“ „Ich ſchwankte zwiſchen Reue und Verliebtheit! Armer Freund! Armes Mädchen!“ Ein leiſes Lachen unterbrach ihn, es klang wie Spott. „Marianne?“ rief er verwundert. „Alfred?“ „Nun? Du lachſt?“ „Ihr ſeid närriſche Leut'!“ erwiderte ſie. „Ein Mädchen mit ſo glänzendem Haar! Glaub' mir, dem iſt Dein Kuß wer weiß wie lang' wieder aus den Locken gefallen! Wer dahinein eine Roſe ſteckt, der ſoll ſie fein feſt ſtecken, ſonſt haftet ſie nicht lang. Liebſt Du ſie denn?“ „Nein!“ betheuerte er haſtig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/112
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/112>, abgerufen am 22.11.2024.