Er schwieg; doch konnte mir eine gewisse bäng¬ liche Unruhe an dem gelassenen Mann nicht entgehen, und als er auf meine Frage: ob er etwas auf dem Herzen habe? seufzend den Kopf senkte, rief ich: "Ich bitte Sie, keine Vorbereitungen, Freund; meine El¬ tern -- --"
"Sind gesund und wohlgemuth in Erwartung der geliebten Tochter," antwortete er.
"Und Dorothee?" drängte ich weiter, da mir die Bekümmerniß auffiel, mit welcher sein Blick auf dem Knaben ruhte. "Ist Dorothee krank?"
"Nicht krank, nur --"
"Nur?"
"Verheirathet, oder so gut wie verheirathet."
"Mit Christlieb Taube, also doch!"
"Nicht mit Christlieb Taube, aber mit -- Mit? -- Mit Siegmund Faber!"
Mit Siegmund Faber! Das war denn nun frei¬ lich eine Neuigkeit, die mir das Blut im Herzen stocken machte. Ich hatte ja niemals weder an seinem Le¬ ben, noch an seiner Heimkehr gezweifelt; aber so un¬ vorbereitet, so rasch am Ziel -- ich fiel wie vernich¬ tet auf einen Stuhl.
"Sahen Sie ihn?" fragte ich nach einer langen Pause.
Er ſchwieg; doch konnte mir eine gewiſſe bäng¬ liche Unruhe an dem gelaſſenen Mann nicht entgehen, und als er auf meine Frage: ob er etwas auf dem Herzen habe? ſeufzend den Kopf ſenkte, rief ich: „Ich bitte Sie, keine Vorbereitungen, Freund; meine El¬ tern — —“
„Sind geſund und wohlgemuth in Erwartung der geliebten Tochter,“ antwortete er.
„Und Dorothee?“ drängte ich weiter, da mir die Bekümmerniß auffiel, mit welcher ſein Blick auf dem Knaben ruhte. „Iſt Dorothee krank?“
„Nicht krank, nur —“
„Nur?“
„Verheirathet, oder ſo gut wie verheirathet.“
„Mit Chriſtlieb Taube, alſo doch!“
„Nicht mit Chriſtlieb Taube, aber mit — Mit? — Mit Siegmund Faber!“
Mit Siegmund Faber! Das war denn nun frei¬ lich eine Neuigkeit, die mir das Blut im Herzen ſtocken machte. Ich hatte ja niemals weder an ſeinem Le¬ ben, noch an ſeiner Heimkehr gezweifelt; aber ſo un¬ vorbereitet, ſo raſch am Ziel — ich fiel wie vernich¬ tet auf einen Stuhl.
„Sahen Sie ihn?“ fragte ich nach einer langen Pauſe.
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Er ſchwieg; doch konnte mir eine gewiſſe bäng¬
liche Unruhe an dem gelaſſenen Mann nicht entgehen,
und als er auf meine Frage: ob er etwas auf dem
Herzen habe? ſeufzend den Kopf ſenkte, rief ich: „Ich
bitte Sie, keine Vorbereitungen, Freund; meine El¬
tern — —“
„Sind geſund und wohlgemuth in Erwartung
der geliebten Tochter,“ antwortete er.
„Und Dorothee?“ drängte ich weiter, da mir die
Bekümmerniß auffiel, mit welcher ſein Blick auf dem
Knaben ruhte. „Iſt Dorothee krank?“
„Nicht krank, nur —“
„Nur?“
„Verheirathet, oder ſo gut wie verheirathet.“
„Mit Chriſtlieb Taube, alſo doch!“
„Nicht mit Chriſtlieb Taube, aber mit — Mit?
— Mit Siegmund Faber!“
Mit Siegmund Faber! Das war denn nun frei¬
lich eine Neuigkeit, die mir das Blut im Herzen ſtocken
machte. Ich hatte ja niemals weder an ſeinem Le¬
ben, noch an ſeiner Heimkehr gezweifelt; aber ſo un¬
vorbereitet, ſo raſch am Ziel — ich fiel wie vernich¬
tet auf einen Stuhl.
„Sahen Sie ihn?“ fragte ich nach einer langen Pauſe.
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/72>, abgerufen am 16.02.2025.
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