Gemeinde, Haus und Gärtchen durch den Gutspatron anheimelnd eingerichtet, und die Kinder dieses Pa¬ trons ihm zur Pflege in der "göttlichen Musika" un¬ terstellt, alles das in romantischer Berg- und Wald¬ einsamkeit: welch ein besseres Loos hätte er sich wün¬ schen können, oder wir für ihn?
Da ich den Probst die seltene Reiseerholung so lange wie möglich wollte genießen lassen, hatte ich ihm unser verspätetes Eintreffen poste restante nach Jena gemeldet, glaubte ihn daher frühestens gestern heimgekehrt, und war erstaunt, ihn in meinem ge¬ wohnten Leipziger Nachtquartier, der goldenen Laute, vorzufinden. Ich fragte ihn lachend, welche fernerwei¬ tige Einführung ihn so eilig wieder in entgegengesetz¬ ter Richtung auf die Füße gebracht habe?
"Die Einführung dieses Knaben in seine neue Heimath," antwortete er ernst, indem er den Schlafen¬ den von seinen Armen auf das Bett in meinem Zim¬ mer niederließ.
Ich witterte so etwas von einer Anwandelung Muhme Justinens in dem geistlichen Herrn, entgeg¬ nete daher verstimmt, daß ich auch ohne seine Be¬ mühung den kleinen Mönch im Kloster Laurentii glück¬ lich abgeliefert haben würde.
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Gemeinde, Haus und Gärtchen durch den Gutspatron anheimelnd eingerichtet, und die Kinder dieſes Pa¬ trons ihm zur Pflege in der „göttlichen Muſika“ un¬ terſtellt, alles das in romantiſcher Berg- und Wald¬ einſamkeit: welch ein beſſeres Loos hätte er ſich wün¬ ſchen können, oder wir für ihn?
Da ich den Probſt die ſeltene Reiſeerholung ſo lange wie möglich wollte genießen laſſen, hatte ich ihm unſer verſpätetes Eintreffen poste restante nach Jena gemeldet, glaubte ihn daher früheſtens geſtern heimgekehrt, und war erſtaunt, ihn in meinem ge¬ wohnten Leipziger Nachtquartier, der goldenen Laute, vorzufinden. Ich fragte ihn lachend, welche fernerwei¬ tige Einführung ihn ſo eilig wieder in entgegengeſetz¬ ter Richtung auf die Füße gebracht habe?
„Die Einführung dieſes Knaben in ſeine neue Heimath,“ antwortete er ernſt, indem er den Schlafen¬ den von ſeinen Armen auf das Bett in meinem Zim¬ mer niederließ.
Ich witterte ſo etwas von einer Anwandelung Muhme Juſtinens in dem geiſtlichen Herrn, entgeg¬ nete daher verſtimmt, daß ich auch ohne ſeine Be¬ mühung den kleinen Mönch im Kloſter Laurentii glück¬ lich abgeliefert haben würde.
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[67/0071]
Gemeinde, Haus und Gärtchen durch den Gutspatron
anheimelnd eingerichtet, und die Kinder dieſes Pa¬
trons ihm zur Pflege in der „göttlichen Muſika“ un¬
terſtellt, alles das in romantiſcher Berg- und Wald¬
einſamkeit: welch ein beſſeres Loos hätte er ſich wün¬
ſchen können, oder wir für ihn?
Da ich den Probſt die ſeltene Reiſeerholung ſo
lange wie möglich wollte genießen laſſen, hatte ich ihm
unſer verſpätetes Eintreffen poste restante nach
Jena gemeldet, glaubte ihn daher früheſtens geſtern
heimgekehrt, und war erſtaunt, ihn in meinem ge¬
wohnten Leipziger Nachtquartier, der goldenen Laute,
vorzufinden. Ich fragte ihn lachend, welche fernerwei¬
tige Einführung ihn ſo eilig wieder in entgegengeſetz¬
ter Richtung auf die Füße gebracht habe?
„Die Einführung dieſes Knaben in ſeine neue
Heimath,“ antwortete er ernſt, indem er den Schlafen¬
den von ſeinen Armen auf das Bett in meinem Zim¬
mer niederließ.
Ich witterte ſo etwas von einer Anwandelung
Muhme Juſtinens in dem geiſtlichen Herrn, entgeg¬
nete daher verſtimmt, daß ich auch ohne ſeine Be¬
mühung den kleinen Mönch im Kloſter Laurentii glück¬
lich abgeliefert haben würde.
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/71>, abgerufen am 16.02.2025.
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