François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.von Leipzig ab in Begleitung des Predigers, auf dem Dorothee war dem alten Freunde keine Fremde; Wie oft hatte ich blutjunges Ding mich mit Ent¬ von Leipzig ab in Begleitung des Predigers, auf dem Dorothee war dem alten Freunde keine Fremde; Wie oft hatte ich blutjunges Ding mich mit Ent¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="24"/> von Leipzig ab in Begleitung des Predigers, auf dem<lb/> Wege nach Reckenburg.</p><lb/> <p>Dorothee war dem alten Freunde keine Fremde;<lb/> ich hatte ihm oft von meiner reizenden Mitſchülerin<lb/> erzählt. Jetzt führte ich ſie ihm vor als eine Be¬<lb/> ſucherin Muhme Juſtinens, alſo ohne buchſtäbliche<lb/> Lüge. Wie denn überhaupt, wenn lügen oder täu¬<lb/> ſchen <hi rendition="#g">nur</hi> heißt: Unwahres ſagen, nicht auch Wahres<lb/> verheimlichen, ich in dieſem ganzen Verhältniſſe keiner<lb/> Lüge oder Täuſchung ſchuldig zu werden brauchte.<lb/> Freilich mochte das ſtilltrauernde Weib, wie es ſich<lb/> ſcheu und leiſe weinend in die Wagenecke ſchmiegte,<lb/> wenig zu dem Bilde ſtimmen, das ich von meiner<lb/> frohen, beweglichen kleinen Dorl entworfen hatte.<lb/> Sein Auge weilte mit Wehmuth auf dem bleichen,<lb/> geſenkten Geſicht. Gewiß, er ahnte die Wahrheit.<lb/> Der geiſtliche Herr aber war einer von denen, welche<lb/> dem bekümmerten Sünder die Hand entgegenſtrecken.</p><lb/> <p>Wie oft hatte ich blutjunges Ding mich mit Ent¬<lb/> rüſtung von unſeres Seelſorgers milder Lehre und<lb/> Praxis, gegenüber einer zuchtloſen Gemeinde, abgewen¬<lb/> det. So erinnerte ich mich im Beſonderen einer Pre¬<lb/> digt über das ehebrecheriſche Weib, deren Text und<lb/> Auslegung ich beim Diner meiner alten Gräfin wie¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0028]
von Leipzig ab in Begleitung des Predigers, auf dem
Wege nach Reckenburg.
Dorothee war dem alten Freunde keine Fremde;
ich hatte ihm oft von meiner reizenden Mitſchülerin
erzählt. Jetzt führte ich ſie ihm vor als eine Be¬
ſucherin Muhme Juſtinens, alſo ohne buchſtäbliche
Lüge. Wie denn überhaupt, wenn lügen oder täu¬
ſchen nur heißt: Unwahres ſagen, nicht auch Wahres
verheimlichen, ich in dieſem ganzen Verhältniſſe keiner
Lüge oder Täuſchung ſchuldig zu werden brauchte.
Freilich mochte das ſtilltrauernde Weib, wie es ſich
ſcheu und leiſe weinend in die Wagenecke ſchmiegte,
wenig zu dem Bilde ſtimmen, das ich von meiner
frohen, beweglichen kleinen Dorl entworfen hatte.
Sein Auge weilte mit Wehmuth auf dem bleichen,
geſenkten Geſicht. Gewiß, er ahnte die Wahrheit.
Der geiſtliche Herr aber war einer von denen, welche
dem bekümmerten Sünder die Hand entgegenſtrecken.
Wie oft hatte ich blutjunges Ding mich mit Ent¬
rüſtung von unſeres Seelſorgers milder Lehre und
Praxis, gegenüber einer zuchtloſen Gemeinde, abgewen¬
det. So erinnerte ich mich im Beſonderen einer Pre¬
digt über das ehebrecheriſche Weib, deren Text und
Auslegung ich beim Diner meiner alten Gräfin wie¬
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