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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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und nach meinen Flurwegen auch die Gesindestuben
im Parterre revidirte. Es fehlte an keiner Schuldig¬
keit und das Kind war sichtlich gesund. Aber es
hockte müde, mit leeren, wässerigen Augen im Ofen¬
winkel, oder in einer sonnigen Ecke auf der Terrasse,
sprach ungefragt kein Wort, und legte gleichgültig das
Spielzeug bei Seite, das man ihm in die Hand ge¬
geben hatte. "Das Kind ist idiot!" sagte ich, indem
ich ihm den Rücken wendete.

Monate waren in dieser Stimmung vergangen,
die häßlichsten, weil hoffnungslosesten meines Lebens.
An einem Novembermorgen erhielt ich das königliche
Patent, das mich zur gnädigen Frau erheben sollte.
Ich erkannte die gute Absicht, eine verpfuschte Sache
wieder in's Schick zu bringen, schrieb meine Dank¬
sagung und legte den huldreichen Akt zu den Akten.

Später als andere Tage trat ich daher meinen
Flurgang an. Auf der Terrassentreppe saß das Kind.
Seine Augen, gewöhnlich halbbedeckt und schläfrig
geradeaus gerichtet, waren heute groß zum Himmel aufge¬
schlagen, an welchem die Sonne noch hinter einem
Nebelflor um den Durchbruch kämpfte. Der Blick
frappirte mich; ich ging schweigend vorüber, aber nach
etlichen Schritten kehrte ich um, und fand das Kind

und nach meinen Flurwegen auch die Geſindeſtuben
im Parterre revidirte. Es fehlte an keiner Schuldig¬
keit und das Kind war ſichtlich geſund. Aber es
hockte müde, mit leeren, wäſſerigen Augen im Ofen¬
winkel, oder in einer ſonnigen Ecke auf der Terraſſe,
ſprach ungefragt kein Wort, und legte gleichgültig das
Spielzeug bei Seite, das man ihm in die Hand ge¬
geben hatte. „Das Kind iſt idiot!“ ſagte ich, indem
ich ihm den Rücken wendete.

Monate waren in dieſer Stimmung vergangen,
die häßlichſten, weil hoffnungsloſeſten meines Lebens.
An einem Novembermorgen erhielt ich das königliche
Patent, das mich zur gnädigen Frau erheben ſollte.
Ich erkannte die gute Abſicht, eine verpfuſchte Sache
wieder in's Schick zu bringen, ſchrieb meine Dank¬
ſagung und legte den huldreichen Akt zu den Akten.

Später als andere Tage trat ich daher meinen
Flurgang an. Auf der Terraſſentreppe ſaß das Kind.
Seine Augen, gewöhnlich halbbedeckt und ſchläfrig
geradeaus gerichtet, waren heute groß zum Himmel aufge¬
ſchlagen, an welchem die Sonne noch hinter einem
Nebelflor um den Durchbruch kämpfte. Der Blick
frappirte mich; ich ging ſchweigend vorüber, aber nach
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[247/0251] und nach meinen Flurwegen auch die Geſindeſtuben im Parterre revidirte. Es fehlte an keiner Schuldig¬ keit und das Kind war ſichtlich geſund. Aber es hockte müde, mit leeren, wäſſerigen Augen im Ofen¬ winkel, oder in einer ſonnigen Ecke auf der Terraſſe, ſprach ungefragt kein Wort, und legte gleichgültig das Spielzeug bei Seite, das man ihm in die Hand ge¬ geben hatte. „Das Kind iſt idiot!“ ſagte ich, indem ich ihm den Rücken wendete. Monate waren in dieſer Stimmung vergangen, die häßlichſten, weil hoffnungsloſeſten meines Lebens. An einem Novembermorgen erhielt ich das königliche Patent, das mich zur gnädigen Frau erheben ſollte. Ich erkannte die gute Abſicht, eine verpfuſchte Sache wieder in's Schick zu bringen, ſchrieb meine Dank¬ ſagung und legte den huldreichen Akt zu den Akten. Später als andere Tage trat ich daher meinen Flurgang an. Auf der Terraſſentreppe ſaß das Kind. Seine Augen, gewöhnlich halbbedeckt und ſchläfrig geradeaus gerichtet, waren heute groß zum Himmel aufge¬ ſchlagen, an welchem die Sonne noch hinter einem Nebelflor um den Durchbruch kämpfte. Der Blick frappirte mich; ich ging ſchweigend vorüber, aber nach etlichen Schritten kehrte ich um, und fand das Kind

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/251>, abgerufen am 24.11.2024.