Dach, aber einen sicher in der Hand hatte. Es war das zweifelhafte Erbe der Reckenburg, welches von zwei Seiten die Bewerber zurückhielt, und so müssen wir leider die Thatsache constatiren daß die liebliche, vielbewunderte kleine Hardine in ihrem zwanzigsten Jahre sich noch keines Heirathsantrages rühmen durfte.
Alle diese Freierzweifel fanden jedoch eine über¬ raschende Lösung, als just in den Hochsommertagen, wo vor zwölf Jahren die Waise des Invaliden an dem Heerde der Reckenburg heimisch geworden war, Fräulein Hardine die Verlobung ihrer Pflegetochter bekannt machte. Der Auserkorene war ihr erster Kindheitsgenosse, der uns bekannte, freundliche Gym¬ nasiast, der aber nicht das geistliche Erbamt auf Recken¬ burg übernommen, sondern nach dem Tode seines Vaters vor ein Paar Jahren die juristische Laufbahn mit der öconomischen unter Fräulein Hardinens Augen vertauscht hatte und jetzt als deren Gehülfe die Recken¬ burg verwaltete.
Manche heimliche Hoffnung wurde durch diese Verbindung zerstört, manche neu belebt. Man nahm sie als einen Akt der Verleugnung, wo man einen der Adoption gefürchtet hatte. Nun und nimmermehr konnte dieses Prototyp einer Edelfrau den Stammsitz
Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. II. 15
Dach, aber einen ſicher in der Hand hatte. Es war das zweifelhafte Erbe der Reckenburg, welches von zwei Seiten die Bewerber zurückhielt, und ſo müſſen wir leider die Thatſache conſtatiren daß die liebliche, vielbewunderte kleine Hardine in ihrem zwanzigſten Jahre ſich noch keines Heirathsantrages rühmen durfte.
Alle dieſe Freierzweifel fanden jedoch eine über¬ raſchende Löſung, als juſt in den Hochſommertagen, wo vor zwölf Jahren die Waiſe des Invaliden an dem Heerde der Reckenburg heimiſch geworden war, Fräulein Hardine die Verlobung ihrer Pflegetochter bekannt machte. Der Auserkorene war ihr erſter Kindheitsgenoſſe, der uns bekannte, freundliche Gym¬ naſiaſt, der aber nicht das geiſtliche Erbamt auf Recken¬ burg übernommen, ſondern nach dem Tode ſeines Vaters vor ein Paar Jahren die juriſtiſche Laufbahn mit der öconomiſchen unter Fräulein Hardinens Augen vertauſcht hatte und jetzt als deren Gehülfe die Recken¬ burg verwaltete.
Manche heimliche Hoffnung wurde durch dieſe Verbindung zerſtört, manche neu belebt. Man nahm ſie als einen Akt der Verleugnung, wo man einen der Adoption gefürchtet hatte. Nun und nimmermehr konnte dieſes Prototyp einer Edelfrau den Stammſitz
Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 15
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0229"n="225"/>
Dach, aber einen ſicher in der Hand hatte. Es war<lb/>
das zweifelhafte Erbe der Reckenburg, welches von<lb/>
zwei Seiten die Bewerber zurückhielt, und ſo müſſen<lb/>
wir leider die Thatſache conſtatiren daß die liebliche,<lb/>
vielbewunderte kleine Hardine in ihrem zwanzigſten<lb/>
Jahre ſich noch keines Heirathsantrages rühmen durfte.</p><lb/><p>Alle dieſe Freierzweifel fanden jedoch eine über¬<lb/>
raſchende Löſung, als juſt in den Hochſommertagen,<lb/>
wo vor zwölf Jahren die Waiſe des Invaliden an<lb/>
dem Heerde der Reckenburg heimiſch geworden war,<lb/>
Fräulein Hardine die Verlobung ihrer Pflegetochter<lb/>
bekannt machte. Der Auserkorene war ihr erſter<lb/>
Kindheitsgenoſſe, der uns bekannte, freundliche Gym¬<lb/>
naſiaſt, der aber nicht das geiſtliche Erbamt auf Recken¬<lb/>
burg <choice><sic>überkommen</sic><corr>übernommen</corr></choice>, ſondern nach dem Tode ſeines<lb/>
Vaters vor ein Paar Jahren die juriſtiſche Laufbahn<lb/>
mit der öconomiſchen unter Fräulein Hardinens Augen<lb/>
vertauſcht hatte und jetzt als deren Gehülfe die Recken¬<lb/>
burg verwaltete.</p><lb/><p>Manche heimliche Hoffnung wurde durch dieſe<lb/>
Verbindung zerſtört, manche neu belebt. Man nahm<lb/>ſie als einen Akt der Verleugnung, wo man einen der<lb/>
Adoption gefürchtet hatte. Nun und nimmermehr<lb/>
konnte dieſes Prototyp einer Edelfrau den Stammſitz<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 15<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[225/0229]
Dach, aber einen ſicher in der Hand hatte. Es war
das zweifelhafte Erbe der Reckenburg, welches von
zwei Seiten die Bewerber zurückhielt, und ſo müſſen
wir leider die Thatſache conſtatiren daß die liebliche,
vielbewunderte kleine Hardine in ihrem zwanzigſten
Jahre ſich noch keines Heirathsantrages rühmen durfte.
Alle dieſe Freierzweifel fanden jedoch eine über¬
raſchende Löſung, als juſt in den Hochſommertagen,
wo vor zwölf Jahren die Waiſe des Invaliden an
dem Heerde der Reckenburg heimiſch geworden war,
Fräulein Hardine die Verlobung ihrer Pflegetochter
bekannt machte. Der Auserkorene war ihr erſter
Kindheitsgenoſſe, der uns bekannte, freundliche Gym¬
naſiaſt, der aber nicht das geiſtliche Erbamt auf Recken¬
burg übernommen, ſondern nach dem Tode ſeines
Vaters vor ein Paar Jahren die juriſtiſche Laufbahn
mit der öconomiſchen unter Fräulein Hardinens Augen
vertauſcht hatte und jetzt als deren Gehülfe die Recken¬
burg verwaltete.
Manche heimliche Hoffnung wurde durch dieſe
Verbindung zerſtört, manche neu belebt. Man nahm
ſie als einen Akt der Verleugnung, wo man einen der
Adoption gefürchtet hatte. Nun und nimmermehr
konnte dieſes Prototyp einer Edelfrau den Stammſitz
Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/229>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.