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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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eigenen Ausfüllung -- den Vorschlag machte, eine
Soldatenwaise zu adoptiren, da war ein Krampfanfall
ihre Antwort, und nachdem die Sprache wieder zurück¬
gekehrt war, sagte sie nichts als mit der flehendsten
Geberde: "Bitte, bitte -- nein!"

"Man gewöhnt sich an solchen Zustand, Fräulein
Hardine. Mein Berufsleben wurde immer absor¬
birender. Ich war häufig auf Reisen und wenn in Ber¬
lin, oft nur minutenweise in meinem Hause anwesend.
Da bemerkte ich es denn kaum, daß sie von Jahr zu
Jahr stiller und in sich gekehrter ward, ja daß wohl
Tage vergingen, ohne daß ich einen Laut von ihren
Lippen vernahm. Das Alter macht naturgemäß
schweigsam; und was hätten wir im Grunde uns auch
mitzutheilen gehabt? Sie erlebte zu wenig und ich zu
viel, aber doch nicht das, was zu häuslichem Aus¬
tausch sich eignete. Die beängstenden Zufälle hörten
allmälig auf, ich fühlte mich beruhigt, -- bis, ja es
mögen jetzt drei Monate sein.

"Da konnte ich mir denn nicht länger verbergen,
daß die stumme Apathie in eine seltsame Aufregung
umgeschlagen war. Sie ging den ganzen Tag im
Zimmer auf und ab und saß die Nächte mit offenen
Augen in ihrem Bette, oder ich traf sie wohl auch

eigenen Ausfüllung — den Vorſchlag machte, eine
Soldatenwaiſe zu adoptiren, da war ein Krampfanfall
ihre Antwort, und nachdem die Sprache wieder zurück¬
gekehrt war, ſagte ſie nichts als mit der flehendſten
Geberde: „Bitte, bitte — nein!“

„Man gewöhnt ſich an ſolchen Zuſtand, Fräulein
Hardine. Mein Berufsleben wurde immer abſor¬
birender. Ich war häufig auf Reiſen und wenn in Ber¬
lin, oft nur minutenweiſe in meinem Hauſe anweſend.
Da bemerkte ich es denn kaum, daß ſie von Jahr zu
Jahr ſtiller und in ſich gekehrter ward, ja daß wohl
Tage vergingen, ohne daß ich einen Laut von ihren
Lippen vernahm. Das Alter macht naturgemäß
ſchweigſam; und was hätten wir im Grunde uns auch
mitzutheilen gehabt? Sie erlebte zu wenig und ich zu
viel, aber doch nicht das, was zu häuslichem Aus¬
tauſch ſich eignete. Die beängſtenden Zufälle hörten
allmälig auf, ich fühlte mich beruhigt, — bis, ja es
mögen jetzt drei Monate ſein.

„Da konnte ich mir denn nicht länger verbergen,
daß die ſtumme Apathie in eine ſeltſame Aufregung
umgeſchlagen war. Sie ging den ganzen Tag im
Zimmer auf und ab und ſaß die Nächte mit offenen
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[200/0204] eigenen Ausfüllung — den Vorſchlag machte, eine Soldatenwaiſe zu adoptiren, da war ein Krampfanfall ihre Antwort, und nachdem die Sprache wieder zurück¬ gekehrt war, ſagte ſie nichts als mit der flehendſten Geberde: „Bitte, bitte — nein!“ „Man gewöhnt ſich an ſolchen Zuſtand, Fräulein Hardine. Mein Berufsleben wurde immer abſor¬ birender. Ich war häufig auf Reiſen und wenn in Ber¬ lin, oft nur minutenweiſe in meinem Hauſe anweſend. Da bemerkte ich es denn kaum, daß ſie von Jahr zu Jahr ſtiller und in ſich gekehrter ward, ja daß wohl Tage vergingen, ohne daß ich einen Laut von ihren Lippen vernahm. Das Alter macht naturgemäß ſchweigſam; und was hätten wir im Grunde uns auch mitzutheilen gehabt? Sie erlebte zu wenig und ich zu viel, aber doch nicht das, was zu häuslichem Aus¬ tauſch ſich eignete. Die beängſtenden Zufälle hörten allmälig auf, ich fühlte mich beruhigt, — bis, ja es mögen jetzt drei Monate ſein. „Da konnte ich mir denn nicht länger verbergen, daß die ſtumme Apathie in eine ſeltſame Aufregung umgeſchlagen war. Sie ging den ganzen Tag im Zimmer auf und ab und ſaß die Nächte mit offenen Augen in ihrem Bette, oder ich traf ſie wohl auch

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/204>, abgerufen am 22.11.2024.