Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

wie ein Vater geliebt von den Geschlechtern, die er
herangebildet hat. Der Aermste und der Reichste un¬
ter denen, mit welchen ich jung gewesen bin. Der
Glücklichste! Wiedergesehen habe ich ihn nicht.

Einen anderen Getreuen dahingegen, unseren Pur¬
zel, durfte ich noch Jahre lang unter meinen Augen
hegen. Seine Werbezeit war abgedient und ihn
graute vor einem Heldenthum unter dem Banner des
Siegers von Jena, den er, zwar nicht als Patriot,
aber als Diener seines geopferten Herrn, ingrimmig
haßte. Mit Behagen fügte er sich daher in die Rolle,
die unter dem Anstandstitel "Heiduck" auf Reckenburg
fortgeführt ward, und hat seinen Zopf mit Ehren zu
Grabe getragen. Viele Jahre vor ihm schied die
Treueste der Treuen. Ihr Erdenziel war erreicht, als
sie das Kind ihres Herzens auf dem Gipfel ihrer
Träume angelangt sah und in dieser stolzen Region
keinen kreuzenden Schellenunter mehr zu pariren hatte.

Der schwerste Verlust war der meines einzigen
Freundes, des Probstes. Wiedergesehen habe ich auch
ihn nicht. Sein Kränkeln und mein Schaffen bann¬
ten jeden auf seinem Platze. Sein letzter Brief fiel
in den Sommer 1809 und enthielt die Kunde von
dem Verschwinden August Müllers aus dem Förster¬

wie ein Vater geliebt von den Geſchlechtern, die er
herangebildet hat. Der Aermſte und der Reichſte un¬
ter denen, mit welchen ich jung geweſen bin. Der
Glücklichſte! Wiedergeſehen habe ich ihn nicht.

Einen anderen Getreuen dahingegen, unſeren Pur¬
zel, durfte ich noch Jahre lang unter meinen Augen
hegen. Seine Werbezeit war abgedient und ihn
graute vor einem Heldenthum unter dem Banner des
Siegers von Jena, den er, zwar nicht als Patriot,
aber als Diener ſeines geopferten Herrn, ingrimmig
haßte. Mit Behagen fügte er ſich daher in die Rolle,
die unter dem Anſtandstitel „Heiduck“ auf Reckenburg
fortgeführt ward, und hat ſeinen Zopf mit Ehren zu
Grabe getragen. Viele Jahre vor ihm ſchied die
Treueſte der Treuen. Ihr Erdenziel war erreicht, als
ſie das Kind ihres Herzens auf dem Gipfel ihrer
Träume angelangt ſah und in dieſer ſtolzen Region
keinen kreuzenden Schellenunter mehr zu pariren hatte.

Der ſchwerſte Verluſt war der meines einzigen
Freundes, des Probſtes. Wiedergeſehen habe ich auch
ihn nicht. Sein Kränkeln und mein Schaffen bann¬
ten jeden auf ſeinem Platze. Sein letzter Brief fiel
in den Sommer 1809 und enthielt die Kunde von
dem Verſchwinden Auguſt Müllers aus dem Förſter¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="162"/>
wie ein Vater geliebt von den Ge&#x017F;chlechtern, die er<lb/>
herangebildet hat. Der Aerm&#x017F;te und der Reich&#x017F;te un¬<lb/>
ter denen, mit welchen ich jung gewe&#x017F;en bin. Der<lb/>
Glücklich&#x017F;te! Wiederge&#x017F;ehen habe ich ihn nicht.</p><lb/>
        <p>Einen anderen Getreuen dahingegen, un&#x017F;eren Pur¬<lb/>
zel, durfte ich noch Jahre lang unter meinen Augen<lb/>
hegen. Seine Werbezeit war abgedient und ihn<lb/>
graute vor einem Heldenthum unter dem Banner des<lb/>
Siegers von Jena, den er, zwar nicht als Patriot,<lb/>
aber als Diener &#x017F;eines geopferten Herrn, ingrimmig<lb/>
haßte. Mit Behagen fügte er &#x017F;ich daher in die Rolle,<lb/>
die unter dem An&#x017F;tandstitel &#x201E;Heiduck&#x201C; auf Reckenburg<lb/>
fortgeführt ward, und hat &#x017F;einen Zopf mit Ehren zu<lb/>
Grabe getragen. Viele Jahre vor ihm &#x017F;chied die<lb/>
Treue&#x017F;te der Treuen. Ihr Erdenziel war erreicht, als<lb/>
&#x017F;ie das Kind ihres Herzens auf dem Gipfel ihrer<lb/>
Träume angelangt &#x017F;ah und in die&#x017F;er &#x017F;tolzen Region<lb/>
keinen kreuzenden Schellenunter mehr zu pariren hatte.</p><lb/>
        <p>Der &#x017F;chwer&#x017F;te Verlu&#x017F;t war der meines einzigen<lb/>
Freundes, des Prob&#x017F;tes. Wiederge&#x017F;ehen habe ich auch<lb/>
ihn nicht. Sein Kränkeln und mein Schaffen bann¬<lb/>
ten jeden auf &#x017F;einem Platze. Sein letzter Brief fiel<lb/>
in den Sommer 1809 und enthielt die Kunde von<lb/>
dem Ver&#x017F;chwinden Augu&#x017F;t Müllers aus dem För&#x017F;ter¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0166] wie ein Vater geliebt von den Geſchlechtern, die er herangebildet hat. Der Aermſte und der Reichſte un¬ ter denen, mit welchen ich jung geweſen bin. Der Glücklichſte! Wiedergeſehen habe ich ihn nicht. Einen anderen Getreuen dahingegen, unſeren Pur¬ zel, durfte ich noch Jahre lang unter meinen Augen hegen. Seine Werbezeit war abgedient und ihn graute vor einem Heldenthum unter dem Banner des Siegers von Jena, den er, zwar nicht als Patriot, aber als Diener ſeines geopferten Herrn, ingrimmig haßte. Mit Behagen fügte er ſich daher in die Rolle, die unter dem Anſtandstitel „Heiduck“ auf Reckenburg fortgeführt ward, und hat ſeinen Zopf mit Ehren zu Grabe getragen. Viele Jahre vor ihm ſchied die Treueſte der Treuen. Ihr Erdenziel war erreicht, als ſie das Kind ihres Herzens auf dem Gipfel ihrer Träume angelangt ſah und in dieſer ſtolzen Region keinen kreuzenden Schellenunter mehr zu pariren hatte. Der ſchwerſte Verluſt war der meines einzigen Freundes, des Probſtes. Wiedergeſehen habe ich auch ihn nicht. Sein Kränkeln und mein Schaffen bann¬ ten jeden auf ſeinem Platze. Sein letzter Brief fiel in den Sommer 1809 und enthielt die Kunde von dem Verſchwinden Auguſt Müllers aus dem Förſter¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/166
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/166>, abgerufen am 24.11.2024.