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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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gen springt, doch nur das Mittel zum Zweck und ein
bequemes Mittel für eine freie, volle Hand. Der
Zweck meiner Aufgabe und ihre Schwierigkeit, die
hießen: ein erneuertes Menschengeschlecht inmitten der
erneuten Flur; eine kräftige, arbeits- und ordnungs¬
tüchtige Bauernschaft in der Gemeinde von Reckenburg.
-- "Majestät Fritz in Pommerellen," so nannte mich
neckend mein guter Probst in seinen ermunternden
Briefen; und in der That war es solch ein hungern¬
des, lungerndes pommerell'sches Völkchen, über das ich
das Regiment usurpirte. Ja usurpirte; denn nicht mehr
die Erbunterthänigkeit, nur die Noth und der anlockende
Zauber des Eigenthums machten sie zu meinen Sclaven.
Die fruchtbringenden Liegenschaften auch der freien
Bauern waren in Zeiten der Drangsal an die Herrschaft
verschleudert worden, kaum mehr als dürftige Fetzen
Haide- und Bruchlandes in den Händen von Wild¬
dieben, Schmugglern und frohnpflichtigen, faulen Tage¬
löhnern zurückgeblieben. Just aber auf diesem Grund¬
stock des Uebels beruhte meine Zuversicht der Heilung.
Denn in den üppigsten Landschaften entartet und auf
dem kümmerlichsten Boden fördert sich die Cultur.
Der Acker, der lange Zeit Oel- und Zuckerfrüchte ge¬
tragen hat, sinkt, ausgesogen, zu einem Haferfelde

gen ſpringt, doch nur das Mittel zum Zweck und ein
bequemes Mittel für eine freie, volle Hand. Der
Zweck meiner Aufgabe und ihre Schwierigkeit, die
hießen: ein erneuertes Menſchengeſchlecht inmitten der
erneuten Flur; eine kräftige, arbeits– und ordnungs¬
tüchtige Bauernſchaft in der Gemeinde von Reckenburg.
— „Majeſtät Fritz in Pommerellen,“ ſo nannte mich
neckend mein guter Probſt in ſeinen ermunternden
Briefen; und in der That war es ſolch ein hungern¬
des, lungerndes pommerell’ſches Völkchen, über das ich
das Regiment uſurpirte. Ja uſurpirte; denn nicht mehr
die Erbunterthänigkeit, nur die Noth und der anlockende
Zauber des Eigenthums machten ſie zu meinen Sclaven.
Die fruchtbringenden Liegenſchaften auch der freien
Bauern waren in Zeiten der Drangſal an die Herrſchaft
verſchleudert worden, kaum mehr als dürftige Fetzen
Haide– und Bruchlandes in den Händen von Wild¬
dieben, Schmugglern und frohnpflichtigen, faulen Tage¬
löhnern zurückgeblieben. Juſt aber auf dieſem Grund¬
ſtock des Uebels beruhte meine Zuverſicht der Heilung.
Denn in den üppigſten Landſchaften entartet und auf
dem kümmerlichſten Boden fördert ſich die Cultur.
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[156/0160] gen ſpringt, doch nur das Mittel zum Zweck und ein bequemes Mittel für eine freie, volle Hand. Der Zweck meiner Aufgabe und ihre Schwierigkeit, die hießen: ein erneuertes Menſchengeſchlecht inmitten der erneuten Flur; eine kräftige, arbeits– und ordnungs¬ tüchtige Bauernſchaft in der Gemeinde von Reckenburg. — „Majeſtät Fritz in Pommerellen,“ ſo nannte mich neckend mein guter Probſt in ſeinen ermunternden Briefen; und in der That war es ſolch ein hungern¬ des, lungerndes pommerell’ſches Völkchen, über das ich das Regiment uſurpirte. Ja uſurpirte; denn nicht mehr die Erbunterthänigkeit, nur die Noth und der anlockende Zauber des Eigenthums machten ſie zu meinen Sclaven. Die fruchtbringenden Liegenſchaften auch der freien Bauern waren in Zeiten der Drangſal an die Herrſchaft verſchleudert worden, kaum mehr als dürftige Fetzen Haide– und Bruchlandes in den Händen von Wild¬ dieben, Schmugglern und frohnpflichtigen, faulen Tage¬ löhnern zurückgeblieben. Juſt aber auf dieſem Grund¬ ſtock des Uebels beruhte meine Zuverſicht der Heilung. Denn in den üppigſten Landſchaften entartet und auf dem kümmerlichſten Boden fördert ſich die Cultur. Der Acker, der lange Zeit Oel– und Zuckerfrüchte ge¬ tragen hat, ſinkt, ausgeſogen, zu einem Haferfelde

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/160>, abgerufen am 24.11.2024.