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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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kleine durchbrannte Oeffnung im Collet bezeichnete die
Stelle, wo die Kugel in das Herz gedrungen war.
So starb er einen raschen, rühmlichen Reitertod, im
Bewußtsein eines gerechten Kampfes, vor den Tagen
der Schmach, die jahrelang auf seinem Stande und
Vaterlande lasten sollten, und deren endliche Sühne
seinem Alter wohl kaum gegönnt gewesen wäre. Mein
theurer Vater, Gott hat es am besten gewußt, auch
für Dich!

Niemals im Leben habe ich so geweint, so die
Wohlthat der Thränen empfunden, als vor diesem
Todesbilde. Als ich den Kopf von seinem Herzen
erhob und die Hand des treuen Freundes drückte, der
stillbetend am Fußende des Sarges auf seinen Knieen
lag, da fühlte ich den alten Muth und die gewohnten
Kräfte wieder in mir aufgelebt. Es war, als ob ein
Sonnenstrahl sich durch bleiernen Winternebel kämpft;
nur eine Sekunde lang; bald umfängt uns wieder
der nächtliche Schatten. Aber wir haben uns des
unvergänglichen Lichtes dort oben erinnert.

Eine plötzliche Hoffnung durchzuckte mich. Ob
der Anblick des geliebten Mannes nicht den erlahm¬
ten Sinn der Mutter erwecken sollte? Der herbeige¬
rufene Arzt zeigte kein Bedenken gegen den gewagten

kleine durchbrannte Oeffnung im Collet bezeichnete die
Stelle, wo die Kugel in das Herz gedrungen war.
So ſtarb er einen raſchen, rühmlichen Reitertod, im
Bewußtſein eines gerechten Kampfes, vor den Tagen
der Schmach, die jahrelang auf ſeinem Stande und
Vaterlande laſten ſollten, und deren endliche Sühne
ſeinem Alter wohl kaum gegönnt geweſen wäre. Mein
theurer Vater, Gott hat es am beſten gewußt, auch
für Dich!

Niemals im Leben habe ich ſo geweint, ſo die
Wohlthat der Thränen empfunden, als vor dieſem
Todesbilde. Als ich den Kopf von ſeinem Herzen
erhob und die Hand des treuen Freundes drückte, der
ſtillbetend am Fußende des Sarges auf ſeinen Knieen
lag, da fühlte ich den alten Muth und die gewohnten
Kräfte wieder in mir aufgelebt. Es war, als ob ein
Sonnenſtrahl ſich durch bleiernen Winternebel kämpft;
nur eine Sekunde lang; bald umfängt uns wieder
der nächtliche Schatten. Aber wir haben uns des
unvergänglichen Lichtes dort oben erinnert.

Eine plötzliche Hoffnung durchzuckte mich. Ob
der Anblick des geliebten Mannes nicht den erlahm¬
ten Sinn der Mutter erwecken ſollte? Der herbeige¬
rufene Arzt zeigte kein Bedenken gegen den gewagten

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[125/0129] kleine durchbrannte Oeffnung im Collet bezeichnete die Stelle, wo die Kugel in das Herz gedrungen war. So ſtarb er einen raſchen, rühmlichen Reitertod, im Bewußtſein eines gerechten Kampfes, vor den Tagen der Schmach, die jahrelang auf ſeinem Stande und Vaterlande laſten ſollten, und deren endliche Sühne ſeinem Alter wohl kaum gegönnt geweſen wäre. Mein theurer Vater, Gott hat es am beſten gewußt, auch für Dich! Niemals im Leben habe ich ſo geweint, ſo die Wohlthat der Thränen empfunden, als vor dieſem Todesbilde. Als ich den Kopf von ſeinem Herzen erhob und die Hand des treuen Freundes drückte, der ſtillbetend am Fußende des Sarges auf ſeinen Knieen lag, da fühlte ich den alten Muth und die gewohnten Kräfte wieder in mir aufgelebt. Es war, als ob ein Sonnenſtrahl ſich durch bleiernen Winternebel kämpft; nur eine Sekunde lang; bald umfängt uns wieder der nächtliche Schatten. Aber wir haben uns des unvergänglichen Lichtes dort oben erinnert. Eine plötzliche Hoffnung durchzuckte mich. Ob der Anblick des geliebten Mannes nicht den erlahm¬ ten Sinn der Mutter erwecken ſollte? Der herbeige¬ rufene Arzt zeigte kein Bedenken gegen den gewagten

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/129>, abgerufen am 24.11.2024.