Kirche seitab des ersten Dorfes auf der Straße nach Berlin. Die Bewohner saßen beim Mittagsessen, niemand außer dem Pfarrer und Küster harrte in dem kleinen, öden Gotteshause. Faber hatte aus Schonung für seine Braut um eine kurze Feier gebeten und so beschränkte sich dieselbe nahezu auf die alte strenge, lutherische Formel und den Segensspruch. Ohne Sang und Orgelklang waren die Verlobten binnen weniger Minuten Mann und Weib. Als die Ringe von Neuem gewechselt wurden, die sie acht Jahre lang getragen hatten, glitt der der Braut von der schlaff herabhängenden Hand. Faber fing ihn auf und steckte ihn an ihren Finger, den er von da ab fest zwischen den seinigen gepreßt hielt. Sein Ja schallte laut und freudig durch den Raum. Doro¬ theens Lippen bewegten sich nicht.
Schweigend führte Siegmund Faber seine junge Frau bis an die Kirchhofspforte, winkte den Wagen herbei und eilte zu geschäftlichen Abmachungen in die Sakristei zurück. Die Eltern nahmen Abschied von dem Kinde, das sie neben dem eignen von der Wiege ab gehegt hatten.
"Gottes Segen über Sie, theure Dorothee, auch im Namen unserer guten, fernen Hardine," sagte der
Kirche ſeitab des erſten Dorfes auf der Straße nach Berlin. Die Bewohner ſaßen beim Mittagseſſen, niemand außer dem Pfarrer und Küſter harrte in dem kleinen, öden Gotteshauſe. Faber hatte aus Schonung für ſeine Braut um eine kurze Feier gebeten und ſo beſchränkte ſich dieſelbe nahezu auf die alte ſtrenge, lutheriſche Formel und den Segensſpruch. Ohne Sang und Orgelklang waren die Verlobten binnen weniger Minuten Mann und Weib. Als die Ringe von Neuem gewechſelt wurden, die ſie acht Jahre lang getragen hatten, glitt der der Braut von der ſchlaff herabhängenden Hand. Faber fing ihn auf und ſteckte ihn an ihren Finger, den er von da ab feſt zwiſchen den ſeinigen gepreßt hielt. Sein Ja ſchallte laut und freudig durch den Raum. Doro¬ theens Lippen bewegten ſich nicht.
Schweigend führte Siegmund Faber ſeine junge Frau bis an die Kirchhofspforte, winkte den Wagen herbei und eilte zu geſchäftlichen Abmachungen in die Sakriſtei zurück. Die Eltern nahmen Abſchied von dem Kinde, das ſie neben dem eignen von der Wiege ab gehegt hatten.
„Gottes Segen über Sie, theure Dorothee, auch im Namen unſerer guten, fernen Hardine,“ ſagte der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0109"n="105"/>
Kirche ſeitab des erſten Dorfes auf der Straße nach<lb/>
Berlin. Die Bewohner ſaßen beim Mittagseſſen,<lb/>
niemand außer dem Pfarrer und Küſter harrte in dem<lb/>
kleinen, öden Gotteshauſe. Faber hatte aus Schonung<lb/>
für ſeine Braut um eine kurze Feier gebeten und ſo<lb/>
beſchränkte ſich dieſelbe nahezu auf die alte ſtrenge,<lb/>
lutheriſche Formel und den Segensſpruch. Ohne<lb/>
Sang und Orgelklang waren die Verlobten binnen<lb/>
weniger Minuten Mann und Weib. Als die Ringe<lb/>
von Neuem gewechſelt wurden, die ſie acht Jahre<lb/>
lang getragen hatten, glitt der der Braut von der<lb/>ſchlaff herabhängenden Hand. Faber fing ihn auf<lb/>
und ſteckte ihn an ihren Finger, den er von da ab<lb/>
feſt zwiſchen den ſeinigen gepreßt hielt. Sein Ja<lb/>ſchallte laut und freudig durch den Raum. Doro¬<lb/>
theens Lippen bewegten ſich nicht.</p><lb/><p>Schweigend führte Siegmund Faber ſeine junge<lb/>
Frau bis an die Kirchhofspforte, winkte den Wagen<lb/>
herbei und eilte zu geſchäftlichen Abmachungen in die<lb/>
Sakriſtei zurück. Die Eltern nahmen Abſchied von<lb/>
dem Kinde, das ſie neben dem eignen von der Wiege<lb/>
ab gehegt hatten.</p><lb/><p>„Gottes Segen über Sie, theure Dorothee, auch<lb/>
im Namen unſerer guten, fernen Hardine,“ſagte der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[105/0109]
Kirche ſeitab des erſten Dorfes auf der Straße nach
Berlin. Die Bewohner ſaßen beim Mittagseſſen,
niemand außer dem Pfarrer und Küſter harrte in dem
kleinen, öden Gotteshauſe. Faber hatte aus Schonung
für ſeine Braut um eine kurze Feier gebeten und ſo
beſchränkte ſich dieſelbe nahezu auf die alte ſtrenge,
lutheriſche Formel und den Segensſpruch. Ohne
Sang und Orgelklang waren die Verlobten binnen
weniger Minuten Mann und Weib. Als die Ringe
von Neuem gewechſelt wurden, die ſie acht Jahre
lang getragen hatten, glitt der der Braut von der
ſchlaff herabhängenden Hand. Faber fing ihn auf
und ſteckte ihn an ihren Finger, den er von da ab
feſt zwiſchen den ſeinigen gepreßt hielt. Sein Ja
ſchallte laut und freudig durch den Raum. Doro¬
theens Lippen bewegten ſich nicht.
Schweigend führte Siegmund Faber ſeine junge
Frau bis an die Kirchhofspforte, winkte den Wagen
herbei und eilte zu geſchäftlichen Abmachungen in die
Sakriſtei zurück. Die Eltern nahmen Abſchied von
dem Kinde, das ſie neben dem eignen von der Wiege
ab gehegt hatten.
„Gottes Segen über Sie, theure Dorothee, auch
im Namen unſerer guten, fernen Hardine,“ ſagte der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/109>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.