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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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ich, daß in irgend einem Stadium ihrer Bekanntschaft
das große Wort Liebe zwischen ihnen gewechselt
worden sei. Große Worte so wenig wie kleine Zärt¬
lichkeiten waren Reckenburg'scher Habitus; aus welcher
Bemerkung indessen keineswegs gefolgert werden soll,
daß die Leute nicht tief im Herzensgrund aneinander
gehangen hätten. Ich wüßte, im Gegentheil, mir
kaum einen glücklicheren Ehebund vorzustellen, als den,
in welchem Eberhard und Adelheid sich länger als
dreißig Jahre in einmüthigem Pulsschlag ergänzten
und trugen. Er: groß, roth, robust; wie er sich selber
nannte: "ein Ursachse," den ein neckischer Kobold unter
die leichte Reiterei gewürfelt hatte. Sie: klein, fein,
blaß und behende. Er: gutmüthig, sorglos, gelassen,
bereit, die Dinge, sobald sie ihm zu ernsthaft wurden,
mit einem Scherzworte abzufertigen. Sie: bedacht¬
sam, klug, praktisch und darum, zu allseitiger Be¬
friedigung, der Souffleur und heimliche Maschinist
der häuslichen Bühne. Beide: Ehren- und Edelleute
vom Scheitel zur Zeh'. Daß die Heldin und Schrei¬
berin dieser Geschichte, das einzige Kind des glücklichen
Paares, körperlich nach der Structur des Vaters,
geistig mehr nach der der Mutter geschlagen ist, wird
aus ihrem Lebensbaue zu ersehen sein.

ich, daß in irgend einem Stadium ihrer Bekanntſchaft
das große Wort Liebe zwiſchen ihnen gewechſelt
worden ſei. Große Worte ſo wenig wie kleine Zärt¬
lichkeiten waren Reckenburg'ſcher Habitus; aus welcher
Bemerkung indeſſen keineswegs gefolgert werden ſoll,
daß die Leute nicht tief im Herzensgrund aneinander
gehangen hätten. Ich wüßte, im Gegentheil, mir
kaum einen glücklicheren Ehebund vorzuſtellen, als den,
in welchem Eberhard und Adelheid ſich länger als
dreißig Jahre in einmüthigem Pulsſchlag ergänzten
und trugen. Er: groß, roth, robuſt; wie er ſich ſelber
nannte: „ein Urſachſe,“ den ein neckiſcher Kobold unter
die leichte Reiterei gewürfelt hatte. Sie: klein, fein,
blaß und behende. Er: gutmüthig, ſorglos, gelaſſen,
bereit, die Dinge, ſobald ſie ihm zu ernſthaft wurden,
mit einem Scherzworte abzufertigen. Sie: bedacht¬
ſam, klug, praktiſch und darum, zu allſeitiger Be¬
friedigung, der Souffleur und heimliche Maſchiniſt
der häuslichen Bühne. Beide: Ehren- und Edelleute
vom Scheitel zur Zeh'. Daß die Heldin und Schrei¬
berin dieſer Geſchichte, das einzige Kind des glücklichen
Paares, körperlich nach der Structur des Vaters,
geiſtig mehr nach der der Mutter geſchlagen iſt, wird
aus ihrem Lebensbaue zu erſehen ſein.

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[84/0091] ich, daß in irgend einem Stadium ihrer Bekanntſchaft das große Wort Liebe zwiſchen ihnen gewechſelt worden ſei. Große Worte ſo wenig wie kleine Zärt¬ lichkeiten waren Reckenburg'ſcher Habitus; aus welcher Bemerkung indeſſen keineswegs gefolgert werden ſoll, daß die Leute nicht tief im Herzensgrund aneinander gehangen hätten. Ich wüßte, im Gegentheil, mir kaum einen glücklicheren Ehebund vorzuſtellen, als den, in welchem Eberhard und Adelheid ſich länger als dreißig Jahre in einmüthigem Pulsſchlag ergänzten und trugen. Er: groß, roth, robuſt; wie er ſich ſelber nannte: „ein Urſachſe,“ den ein neckiſcher Kobold unter die leichte Reiterei gewürfelt hatte. Sie: klein, fein, blaß und behende. Er: gutmüthig, ſorglos, gelaſſen, bereit, die Dinge, ſobald ſie ihm zu ernſthaft wurden, mit einem Scherzworte abzufertigen. Sie: bedacht¬ ſam, klug, praktiſch und darum, zu allſeitiger Be¬ friedigung, der Souffleur und heimliche Maſchiniſt der häuslichen Bühne. Beide: Ehren- und Edelleute vom Scheitel zur Zeh'. Daß die Heldin und Schrei¬ berin dieſer Geſchichte, das einzige Kind des glücklichen Paares, körperlich nach der Structur des Vaters, geiſtig mehr nach der der Mutter geſchlagen iſt, wird aus ihrem Lebensbaue zu erſehen ſein.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/91>, abgerufen am 25.11.2024.