vor und nahm die kleine Hardine an seine Hand. Auch der Graf folgte ihnen in merklicher Bestürzung. Sie verschwanden im Laubengang. Fräulein Hardine aber wendete sich mit verstörten Mienen, ohne ihre Gäste zu beachten, ihrem Schlosse zu.
Wie möchten wir nun aber bei diesem Betragen der stets so gehaltenen, selbstbewußten Dame die Stim¬ mung der verlassenen Gesellschaft zu beschreiben wa¬ gen? Ein Theil, und sicherlich der klügste, bestieg ohne Abschied die bereits vorgefahrenen Wagen. Andere entblödeten sich nicht, in der eigenen Umhegung der Festgeberin den am Nachmittag in der Schenke ge¬ sammelten Erläuterungen ihrer Dienerschaft Gehör zu geben. Der Rest schlenderte in den Gartenwegen auf und ab, ein Wiedererscheinen der Dame, oder die Lö¬ sung des Räthsels erwartend.
Nach kurzer Zeit kehrte Ludwig Nordheim athem¬ los zurück, um den Kreisphysikus, der sich unter den Gästen befand, zu dem in der Schenke plötzlich er¬ krankten Fremdling zu holen. Später kam der Pre¬ diger mit dem Grafen, der letztere mit dem Ausdruck der stärksten Empörung. "Der Säuferwahnsinn ist bei dem Vagabonden ausgebrochen," antwortete er auf die Fragen der ihn umringenden Bekannten. Der
vor und nahm die kleine Hardine an ſeine Hand. Auch der Graf folgte ihnen in merklicher Beſtürzung. Sie verſchwanden im Laubengang. Fräulein Hardine aber wendete ſich mit verſtörten Mienen, ohne ihre Gäſte zu beachten, ihrem Schloſſe zu.
Wie möchten wir nun aber bei dieſem Betragen der ſtets ſo gehaltenen, ſelbſtbewußten Dame die Stim¬ mung der verlaſſenen Geſellſchaft zu beſchreiben wa¬ gen? Ein Theil, und ſicherlich der klügſte, beſtieg ohne Abſchied die bereits vorgefahrenen Wagen. Andere entblödeten ſich nicht, in der eigenen Umhegung der Feſtgeberin den am Nachmittag in der Schenke ge¬ ſammelten Erläuterungen ihrer Dienerſchaft Gehör zu geben. Der Reſt ſchlenderte in den Gartenwegen auf und ab, ein Wiedererſcheinen der Dame, oder die Lö¬ ſung des Räthſels erwartend.
Nach kurzer Zeit kehrte Ludwig Nordheim athem¬ los zurück, um den Kreisphyſikus, der ſich unter den Gäſten befand, zu dem in der Schenke plötzlich er¬ krankten Fremdling zu holen. Später kam der Pre¬ diger mit dem Grafen, der letztere mit dem Ausdruck der ſtärkſten Empörung. „Der Säuferwahnſinn iſt bei dem Vagabonden ausgebrochen,“ antwortete er auf die Fragen der ihn umringenden Bekannten. Der
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vor und nahm die kleine Hardine an ſeine Hand.
Auch der Graf folgte ihnen in merklicher Beſtürzung.
Sie verſchwanden im Laubengang. Fräulein Hardine
aber wendete ſich mit verſtörten Mienen, ohne ihre
Gäſte zu beachten, ihrem Schloſſe zu.
Wie möchten wir nun aber bei dieſem Betragen
der ſtets ſo gehaltenen, ſelbſtbewußten Dame die Stim¬
mung der verlaſſenen Geſellſchaft zu beſchreiben wa¬
gen? Ein Theil, und ſicherlich der klügſte, beſtieg ohne
Abſchied die bereits vorgefahrenen Wagen. Andere
entblödeten ſich nicht, in der eigenen Umhegung der
Feſtgeberin den am Nachmittag in der Schenke ge¬
ſammelten Erläuterungen ihrer Dienerſchaft Gehör zu
geben. Der Reſt ſchlenderte in den Gartenwegen auf
und ab, ein Wiedererſcheinen der Dame, oder die Lö¬
ſung des Räthſels erwartend.
Nach kurzer Zeit kehrte Ludwig Nordheim athem¬
los zurück, um den Kreisphyſikus, der ſich unter den
Gäſten befand, zu dem in der Schenke plötzlich er¬
krankten Fremdling zu holen. Später kam der Pre¬
diger mit dem Grafen, der letztere mit dem Ausdruck
der ſtärkſten Empörung. „Der Säuferwahnſinn iſt
bei dem Vagabonden ausgebrochen,“ antwortete er
auf die Fragen der ihn umringenden Bekannten. Der
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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