dem Einsegnungsscheine in dem untersten Fach ihres Näh¬ kastens, und löschte die Lampe. "August," sagte sie darauf, während der Mann seine Kleider auszog, und sich auf die Strohschütte zu Füßen des Bettes niederwarf, "August, wir wollen unsere Kleine Hardine taufen lassen."
"Lisette wäre mir lieber gewesen," erwiderte gäh¬ nend der Herr Papa. "Aber meinethalben auch Hardine."
Und das kleine Mädchen wurde Hardine getauft.
Jahre vergingen, ohne daß Fräulein Hardinens zwischen dem Invalidenpaar wieder Erwähnung ge¬ schah. Fast sechs Jahre, in welchen die kleine Na¬ mensträgerin der unbekannten Dame mühselig auf die Füßchen kam, und aus welchen ihr keine Erinnerung geblieben ist, als daß sie vielmals hungerte und oft¬ mals fror.
Der Wachtmeister der Legion wartete zwar nicht mehr auf den noch immer rückkehrenden Napoleon, denn der schlief beruhigt und beruhigend in seinem Inselgrabe, aber er wartete auf irgend einen anderen respectablen Feind, gegen welchen eine brave Solda¬ tenfaust den Säbel wieder zücken dürfe. Freilich er¬ wartete er ihn selten an dem schwachlodernden häus¬ lichen Heerdfeuer, das seit dem Einrücken der Wiege
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dem Einſegnungsſcheine in dem unterſten Fach ihres Näh¬ kaſtens, und löſchte die Lampe. „Auguſt,“ ſagte ſie darauf, während der Mann ſeine Kleider auszog, und ſich auf die Strohſchütte zu Füßen des Bettes niederwarf, „Auguſt, wir wollen unſere Kleine Hardine taufen laſſen.“
„Liſette wäre mir lieber geweſen,“ erwiderte gäh¬ nend der Herr Papa. „Aber meinethalben auch Hardine.“
Und das kleine Mädchen wurde Hardine getauft.
Jahre vergingen, ohne daß Fräulein Hardinens zwiſchen dem Invalidenpaar wieder Erwähnung ge¬ ſchah. Faſt ſechs Jahre, in welchen die kleine Na¬ mensträgerin der unbekannten Dame mühſelig auf die Füßchen kam, und aus welchen ihr keine Erinnerung geblieben iſt, als daß ſie vielmals hungerte und oft¬ mals fror.
Der Wachtmeiſter der Legion wartete zwar nicht mehr auf den noch immer rückkehrenden Napoleon, denn der ſchlief beruhigt und beruhigend in ſeinem Inſelgrabe, aber er wartete auf irgend einen anderen reſpectablen Feind, gegen welchen eine brave Solda¬ tenfauſt den Säbel wieder zücken dürfe. Freilich er¬ wartete er ihn ſelten an dem ſchwachlodernden häus¬ lichen Heerdfeuer, das ſeit dem Einrücken der Wiege
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dem Einſegnungsſcheine in dem unterſten Fach ihres Näh¬
kaſtens, und löſchte die Lampe. „Auguſt,“ ſagte ſie darauf,
während der Mann ſeine Kleider auszog, und ſich auf die
Strohſchütte zu Füßen des Bettes niederwarf, „Auguſt,
wir wollen unſere Kleine Hardine taufen laſſen.“
„Liſette wäre mir lieber geweſen,“ erwiderte gäh¬
nend der Herr Papa. „Aber meinethalben auch Hardine.“
Und das kleine Mädchen wurde Hardine getauft.
Jahre vergingen, ohne daß Fräulein Hardinens
zwiſchen dem Invalidenpaar wieder Erwähnung ge¬
ſchah. Faſt ſechs Jahre, in welchen die kleine Na¬
mensträgerin der unbekannten Dame mühſelig auf die
Füßchen kam, und aus welchen ihr keine Erinnerung
geblieben iſt, als daß ſie vielmals hungerte und oft¬
mals fror.
Der Wachtmeiſter der Legion wartete zwar nicht
mehr auf den noch immer rückkehrenden Napoleon,
denn der ſchlief beruhigt und beruhigend in ſeinem
Inſelgrabe, aber er wartete auf irgend einen anderen
reſpectablen Feind, gegen welchen eine brave Solda¬
tenfauſt den Säbel wieder zücken dürfe. Freilich er¬
wartete er ihn ſelten an dem ſchwachlodernden häus¬
lichen Heerdfeuer, das ſeit dem Einrücken der Wiege
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/42>, abgerufen am 16.02.2025.
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