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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Beckern, Memmen, die nichts besseres verdient haben
als die Fuchtel des Napoleon so lange, bis am Ende
auch bei ihnen die Berserkerwuth zum Ausbruch ge¬
kommen ist.

"Auf Schritt und Tritt guckte mein altes Weibs¬
stück sich um, ob ihr der grausame Bohnebart nicht
bereits auf den Hacken säß'? Bei aller Angst jedoch
schwamm die Neugier nach dem, was ich bei den
Majors erlebt, obenauf, und wir waren noch nicht
aus dem Thore, da hatte sie mich ausgepreßt wie eine
Citrone und zu jedem Tropfen ihren Senf gerührt.
Ich wollte nur Eines wissen: wer das kleine Mäd¬
chen gewesen sei, dessen letzter Schrei mir noch immer
in den Ohren gellte. Aber just dieses Eine wußte
die alte Weisheit nicht. -- "Eine Bekanntschaft aus
der Stadt," -- so meinte sie, denn Anverwandte hätten
die Majors hier zu Lande keine. -- Aber warum
seufzte und weinte sie denn so jämmerlich? forschte
ich weiter und brachte damit meine Alte wieder in
das richtige Fahrwasser.

"Wer heult und schreit denn anjetzo nicht, Gustel?"
sagte sie. -- "Wer sieht im Geiste nicht Einen von
den Seinigen todtgeschossen, oder zum Krüppel ge¬
hauen, oder in Gefangenschaft, oder auf der Flucht?

Beckern, Memmen, die nichts beſſeres verdient haben
als die Fuchtel des Napoleon ſo lange, bis am Ende
auch bei ihnen die Berſerkerwuth zum Ausbruch ge¬
kommen iſt.

„Auf Schritt und Tritt guckte mein altes Weibs¬
ſtück ſich um, ob ihr der grauſame Bohnebart nicht
bereits auf den Hacken ſäß'? Bei aller Angſt jedoch
ſchwamm die Neugier nach dem, was ich bei den
Majors erlebt, obenauf, und wir waren noch nicht
aus dem Thore, da hatte ſie mich ausgepreßt wie eine
Citrone und zu jedem Tropfen ihren Senf gerührt.
Ich wollte nur Eines wiſſen: wer das kleine Mäd¬
chen geweſen ſei, deſſen letzter Schrei mir noch immer
in den Ohren gellte. Aber juſt dieſes Eine wußte
die alte Weisheit nicht. — „Eine Bekanntſchaft aus
der Stadt,“ — ſo meinte ſie, denn Anverwandte hätten
die Majors hier zu Lande keine. — Aber warum
ſeufzte und weinte ſie denn ſo jämmerlich? forſchte
ich weiter und brachte damit meine Alte wieder in
das richtige Fahrwaſſer.

„Wer heult und ſchreit denn anjetzo nicht, Guſtel?“
ſagte ſie. — „Wer ſieht im Geiſte nicht Einen von
den Seinigen todtgeſchoſſen, oder zum Krüppel ge¬
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[25/0032] Beckern, Memmen, die nichts beſſeres verdient haben als die Fuchtel des Napoleon ſo lange, bis am Ende auch bei ihnen die Berſerkerwuth zum Ausbruch ge¬ kommen iſt. „Auf Schritt und Tritt guckte mein altes Weibs¬ ſtück ſich um, ob ihr der grauſame Bohnebart nicht bereits auf den Hacken ſäß'? Bei aller Angſt jedoch ſchwamm die Neugier nach dem, was ich bei den Majors erlebt, obenauf, und wir waren noch nicht aus dem Thore, da hatte ſie mich ausgepreßt wie eine Citrone und zu jedem Tropfen ihren Senf gerührt. Ich wollte nur Eines wiſſen: wer das kleine Mäd¬ chen geweſen ſei, deſſen letzter Schrei mir noch immer in den Ohren gellte. Aber juſt dieſes Eine wußte die alte Weisheit nicht. — „Eine Bekanntſchaft aus der Stadt,“ — ſo meinte ſie, denn Anverwandte hätten die Majors hier zu Lande keine. — Aber warum ſeufzte und weinte ſie denn ſo jämmerlich? forſchte ich weiter und brachte damit meine Alte wieder in das richtige Fahrwaſſer. „Wer heult und ſchreit denn anjetzo nicht, Guſtel?“ ſagte ſie. — „Wer ſieht im Geiſte nicht Einen von den Seinigen todtgeſchoſſen, oder zum Krüppel ge¬ hauen, oder in Gefangenſchaft, oder auf der Flucht?

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/32>, abgerufen am 21.11.2024.