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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Es war eine stillschwüle Hochsommernacht; der
Mond schien von der Gartenseite hell durch die geöffnete
Bodenluke. Ich bog mich hinaus und athmete in einem
tiefen Zuge den Duft, der von den Nelkenbeeten in die
Höhe stieg. Mir gegenüber ragte das Schloß; ein
Nachtlicht flackerte im Zimmer des Eckthurms, in
welchem mein junger Held zum letzten Male ruhte,
oder sich zur Abreise rüstete. Es wurde mir schwer,
mich von dem Flämmchen loszureißen, nur zögernd
senkte sich der Blick hinab auf die Terrasse, welche der
Mond fast mit Tagesklarheit beleuchtete.

In diesem Augenblicke, -- war es ein Phantom
des aufgeregten Bluts, war es Wirklichkeit? -- sah
ich zwei Gestalten aus der Laube gleiten, aus der
Brautlaube Siegmund Fabers. Sie schmiegten sich
an einander; fein und hell das Weib an die Seite
des Mannes, dessen dunkle Umhüllung sie halb umfing.
Es war ein einziger Blick, aber nein, nicht eine
Täuschung und was ich auch immer geahnt, -- bis
zu diesem Abgrunde hatte die Einbildung sich nicht
verirrt.

Mir schwindelte, ich schwankte und klammerte mich
an die Brüstung der Luke. Als ich zagend den Blick

Es war eine ſtillſchwüle Hochſommernacht; der
Mond ſchien von der Gartenſeite hell durch die geöffnete
Bodenluke. Ich bog mich hinaus und athmete in einem
tiefen Zuge den Duft, der von den Nelkenbeeten in die
Höhe ſtieg. Mir gegenüber ragte das Schloß; ein
Nachtlicht flackerte im Zimmer des Eckthurms, in
welchem mein junger Held zum letzten Male ruhte,
oder ſich zur Abreiſe rüſtete. Es wurde mir ſchwer,
mich von dem Flämmchen loszureißen, nur zögernd
ſenkte ſich der Blick hinab auf die Terraſſe, welche der
Mond faſt mit Tagesklarheit beleuchtete.

In dieſem Augenblicke, — war es ein Phantom
des aufgeregten Bluts, war es Wirklichkeit? — ſah
ich zwei Geſtalten aus der Laube gleiten, aus der
Brautlaube Siegmund Fabers. Sie ſchmiegten ſich
an einander; fein und hell das Weib an die Seite
des Mannes, deſſen dunkle Umhüllung ſie halb umfing.
Es war ein einziger Blick, aber nein, nicht eine
Täuſchung und was ich auch immer geahnt, — bis
zu dieſem Abgrunde hatte die Einbildung ſich nicht
verirrt.

Mir ſchwindelte, ich ſchwankte und klammerte mich
an die Brüſtung der Luke. Als ich zagend den Blick

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[266/0273] Es war eine ſtillſchwüle Hochſommernacht; der Mond ſchien von der Gartenſeite hell durch die geöffnete Bodenluke. Ich bog mich hinaus und athmete in einem tiefen Zuge den Duft, der von den Nelkenbeeten in die Höhe ſtieg. Mir gegenüber ragte das Schloß; ein Nachtlicht flackerte im Zimmer des Eckthurms, in welchem mein junger Held zum letzten Male ruhte, oder ſich zur Abreiſe rüſtete. Es wurde mir ſchwer, mich von dem Flämmchen loszureißen, nur zögernd ſenkte ſich der Blick hinab auf die Terraſſe, welche der Mond faſt mit Tagesklarheit beleuchtete. In dieſem Augenblicke, — war es ein Phantom des aufgeregten Bluts, war es Wirklichkeit? — ſah ich zwei Geſtalten aus der Laube gleiten, aus der Brautlaube Siegmund Fabers. Sie ſchmiegten ſich an einander; fein und hell das Weib an die Seite des Mannes, deſſen dunkle Umhüllung ſie halb umfing. Es war ein einziger Blick, aber nein, nicht eine Täuſchung und was ich auch immer geahnt, — bis zu dieſem Abgrunde hatte die Einbildung ſich nicht verirrt. Mir ſchwindelte, ich ſchwankte und klammerte mich an die Brüſtung der Luke. Als ich zagend den Blick

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/273>, abgerufen am 22.11.2024.