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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Die Alte wies auf ein Haus und sprach: "Da woh¬
nen die Majors." Das Haus, wiewohl ich es nur
das einemal und seitdem viele tausend andere ge¬
sehen habe, das Haus könnte ich noch malen. Es
glich einem Mops, dem Einer eine Zipfelmütze auf¬
gebunden hat. Die Beckern setzte sich neben dem
Thorweg auf eine Bank, allwo sie mich zurück erwar¬
ten wollte, und ich ging mit meinem Kranze hinein.

"Im Thorwege kam mir auch schon der Probst
entgegen, nahm mich bei der Hand und führte mich
in eine Stube auf der rechten Seite. Die Fenster
waren zugehängt und ich mußte mich erst an das
Dämmerlicht gewöhnen. Ich unterschied aber doch
irgend ein menschliches Wesen, das mit ausgebreiteten
Armen nahe der Thür gestanden hatte und, auf einen
Wink des Probstes, hastig in "die Hölle", -- so heißt
bei uns zu Lande der tiefe Ofenwinkel, -- huschte. Ich
spitzte die Ohren. Mir war, als hätte ich Einen
ächzen oder schluchzen gehört."

"Fräulein Hardine!" rief Frau Lisette in athem¬
loser Spannung. Der Erzähler aber entgegnete:

"Behüte! Fräulein Hardine war keine von der
Art, die ächzt und schluchzt. Die stand aufrecht und
ernsthaft, schwarz vom Kopf zur Zeh' in der Kammer

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Die Alte wies auf ein Haus und ſprach: „Da woh¬
nen die Majors.“ Das Haus, wiewohl ich es nur
das einemal und ſeitdem viele tauſend andere ge¬
ſehen habe, das Haus könnte ich noch malen. Es
glich einem Mops, dem Einer eine Zipfelmütze auf¬
gebunden hat. Die Beckern ſetzte ſich neben dem
Thorweg auf eine Bank, allwo ſie mich zurück erwar¬
ten wollte, und ich ging mit meinem Kranze hinein.

„Im Thorwege kam mir auch ſchon der Probſt
entgegen, nahm mich bei der Hand und führte mich
in eine Stube auf der rechten Seite. Die Fenſter
waren zugehängt und ich mußte mich erſt an das
Dämmerlicht gewöhnen. Ich unterſchied aber doch
irgend ein menſchliches Weſen, das mit ausgebreiteten
Armen nahe der Thür geſtanden hatte und, auf einen
Wink des Probſtes, haſtig in „die Hölle“, — ſo heißt
bei uns zu Lande der tiefe Ofenwinkel, — huſchte. Ich
ſpitzte die Ohren. Mir war, als hätte ich Einen
ächzen oder ſchluchzen gehört.“

„Fräulein Hardine!“ rief Frau Liſette in athem¬
loſer Spannung. Der Erzähler aber entgegnete:

„Behüte! Fräulein Hardine war keine von der
Art, die ächzt und ſchluchzt. Die ſtand aufrecht und
ernſthaft, ſchwarz vom Kopf zur Zeh' in der Kammer

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[19/0026] Die Alte wies auf ein Haus und ſprach: „Da woh¬ nen die Majors.“ Das Haus, wiewohl ich es nur das einemal und ſeitdem viele tauſend andere ge¬ ſehen habe, das Haus könnte ich noch malen. Es glich einem Mops, dem Einer eine Zipfelmütze auf¬ gebunden hat. Die Beckern ſetzte ſich neben dem Thorweg auf eine Bank, allwo ſie mich zurück erwar¬ ten wollte, und ich ging mit meinem Kranze hinein. „Im Thorwege kam mir auch ſchon der Probſt entgegen, nahm mich bei der Hand und führte mich in eine Stube auf der rechten Seite. Die Fenſter waren zugehängt und ich mußte mich erſt an das Dämmerlicht gewöhnen. Ich unterſchied aber doch irgend ein menſchliches Weſen, das mit ausgebreiteten Armen nahe der Thür geſtanden hatte und, auf einen Wink des Probſtes, haſtig in „die Hölle“, — ſo heißt bei uns zu Lande der tiefe Ofenwinkel, — huſchte. Ich ſpitzte die Ohren. Mir war, als hätte ich Einen ächzen oder ſchluchzen gehört.“ „Fräulein Hardine!“ rief Frau Liſette in athem¬ loſer Spannung. Der Erzähler aber entgegnete: „Behüte! Fräulein Hardine war keine von der Art, die ächzt und ſchluchzt. Die ſtand aufrecht und ernſthaft, ſchwarz vom Kopf zur Zeh' in der Kammer 2*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/26>, abgerufen am 21.11.2024.