Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

chem die Faber'schen Scheerbecken geglänzt hatten, die
giftigen Pfeile der "Gesellschaft" zielten auf das un¬
tere Geschoß, dessen Insassen, bethört von fürstlicher
Gunst, der gerechtfertigten Empörung Trotz geboten,
und erst dadurch den Scandal unheilbar gemacht hatten.

Selbstverständlich, daß unter diesen Zuträge¬
reien die freiherrliche Familie ihren Nacken höher und
stolzer denn jemals trug. Verhehlt aber soll nicht
werden, daß eine Migraine, welche die Hausfrau eine
Woche lang an das Bett fesselte, in heimlichen Gallen¬
affectionen ihren Grund gehabt haben mag.

Solchergestalt wandelten Vater und Tochter am
Sonntagmorgen allein zur Kirche und hier war es,
wo sie die schöne Frevlerin zum erstenmale nach je¬
nem heillosen Abend wiedersahen. Sie saß unserer
adligen Empore gegenüber im Schiff dicht unter der
Kanzel, und schon während des Lieds konnten uns
die neugierigen Blicke nicht entgehen, welche in der un¬
teren Gemeinde zwischen ihrem Platz und dem hohen Her¬
zogsstuhle, hinter dessen Gittern der Prinz, -- leider
mit Unrecht, -- vermuthet ward, auf- und niederflogen.

Wie mußte nun aber das Behagen dieser Aufre¬
gung wachsen, als jetzt der würdige Hofprediger die
Kanzel bestieg und über das bekannte Thema: "Ge¬

chem die Faber'ſchen Scheerbecken geglänzt hatten, die
giftigen Pfeile der „Geſellſchaft“ zielten auf das un¬
tere Geſchoß, deſſen Inſaſſen, bethört von fürſtlicher
Gunſt, der gerechtfertigten Empörung Trotz geboten,
und erſt dadurch den Scandal unheilbar gemacht hatten.

Selbſtverſtändlich, daß unter dieſen Zuträge¬
reien die freiherrliche Familie ihren Nacken höher und
ſtolzer denn jemals trug. Verhehlt aber ſoll nicht
werden, daß eine Migraine, welche die Hausfrau eine
Woche lang an das Bett feſſelte, in heimlichen Gallen¬
affectionen ihren Grund gehabt haben mag.

Solchergeſtalt wandelten Vater und Tochter am
Sonntagmorgen allein zur Kirche und hier war es,
wo ſie die ſchöne Frevlerin zum erſtenmale nach je¬
nem heilloſen Abend wiederſahen. Sie ſaß unſerer
adligen Empore gegenüber im Schiff dicht unter der
Kanzel, und ſchon während des Lieds konnten uns
die neugierigen Blicke nicht entgehen, welche in der un¬
teren Gemeinde zwiſchen ihrem Platz und dem hohen Her¬
zogsſtuhle, hinter deſſen Gittern der Prinz, — leider
mit Unrecht, — vermuthet ward, auf- und niederflogen.

Wie mußte nun aber das Behagen dieſer Aufre¬
gung wachſen, als jetzt der würdige Hofprediger die
Kanzel beſtieg und über das bekannte Thema: „Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0258" n="251"/>
chem die Faber'&#x017F;chen Scheerbecken geglänzt hatten, die<lb/>
giftigen Pfeile der &#x201E;Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft&#x201C; zielten auf das un¬<lb/>
tere Ge&#x017F;choß, de&#x017F;&#x017F;en In&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en, bethört von für&#x017F;tlicher<lb/>
Gun&#x017F;t, der gerechtfertigten Empörung Trotz geboten,<lb/>
und er&#x017F;t dadurch den Scandal unheilbar gemacht hatten.</p><lb/>
        <p>Selb&#x017F;tver&#x017F;tändlich, daß unter die&#x017F;en Zuträge¬<lb/>
reien die freiherrliche Familie ihren Nacken höher und<lb/>
&#x017F;tolzer denn jemals trug. Verhehlt aber &#x017F;oll nicht<lb/>
werden, daß eine Migraine, welche die Hausfrau eine<lb/>
Woche lang an das Bett fe&#x017F;&#x017F;elte, in heimlichen Gallen¬<lb/>
affectionen ihren Grund gehabt haben mag.</p><lb/>
        <p>Solcherge&#x017F;talt wandelten Vater und Tochter am<lb/>
Sonntagmorgen <hi rendition="#g">allein</hi> zur Kirche und hier war es,<lb/>
wo &#x017F;ie die &#x017F;chöne Frevlerin zum er&#x017F;tenmale nach je¬<lb/>
nem heillo&#x017F;en Abend wieder&#x017F;ahen. Sie &#x017F;aß un&#x017F;erer<lb/>
adligen Empore gegenüber im Schiff dicht unter der<lb/>
Kanzel, und &#x017F;chon während des Lieds konnten uns<lb/>
die neugierigen Blicke nicht entgehen, welche in der un¬<lb/>
teren Gemeinde zwi&#x017F;chen ihrem Platz und dem hohen Her¬<lb/>
zogs&#x017F;tuhle, hinter de&#x017F;&#x017F;en Gittern der Prinz, &#x2014; leider<lb/>
mit Unrecht, &#x2014; vermuthet ward, auf- und niederflogen.</p><lb/>
        <p>Wie mußte nun aber das Behagen die&#x017F;er Aufre¬<lb/>
gung wach&#x017F;en, als jetzt der würdige Hofprediger die<lb/>
Kanzel be&#x017F;tieg und über das bekannte Thema: &#x201E;Ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0258] chem die Faber'ſchen Scheerbecken geglänzt hatten, die giftigen Pfeile der „Geſellſchaft“ zielten auf das un¬ tere Geſchoß, deſſen Inſaſſen, bethört von fürſtlicher Gunſt, der gerechtfertigten Empörung Trotz geboten, und erſt dadurch den Scandal unheilbar gemacht hatten. Selbſtverſtändlich, daß unter dieſen Zuträge¬ reien die freiherrliche Familie ihren Nacken höher und ſtolzer denn jemals trug. Verhehlt aber ſoll nicht werden, daß eine Migraine, welche die Hausfrau eine Woche lang an das Bett feſſelte, in heimlichen Gallen¬ affectionen ihren Grund gehabt haben mag. Solchergeſtalt wandelten Vater und Tochter am Sonntagmorgen allein zur Kirche und hier war es, wo ſie die ſchöne Frevlerin zum erſtenmale nach je¬ nem heilloſen Abend wiederſahen. Sie ſaß unſerer adligen Empore gegenüber im Schiff dicht unter der Kanzel, und ſchon während des Lieds konnten uns die neugierigen Blicke nicht entgehen, welche in der un¬ teren Gemeinde zwiſchen ihrem Platz und dem hohen Her¬ zogsſtuhle, hinter deſſen Gittern der Prinz, — leider mit Unrecht, — vermuthet ward, auf- und niederflogen. Wie mußte nun aber das Behagen dieſer Aufre¬ gung wachſen, als jetzt der würdige Hofprediger die Kanzel beſtieg und über das bekannte Thema: „Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/258
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/258>, abgerufen am 22.11.2024.