ter, sich in Küche und Keller halten. Der schäferli¬ chen Toilette noch gar nicht einmal zu gedenken. Un¬ sere Tochter jedoch stand einmal in der Reihe und eine Reckenburg wird auf jedem Platze ihre Haltung zu behaupten wissen, zumal wenn eine Amtmannsfrau, die aus einer Mühle stammt, ihr beim Rückzug das Prävenire spielt."
Ich erwiderte kein Wort, küßte den Eltern die Hand und eilte in meine Kammer. Ich dachte nicht daran, mich auszukleiden und niederzulegen. Unbe¬ weglich saß ich auf dem Bettrand, ich weiß nicht, wie lange. Mir war, als wäre ich von einem hohen Thurm gefallen und krause Phantome wirbelten in dem er¬ schütterten Hirn. Ich hörte einen leisen Schritt an der Thür: ich rührte mich nicht; ich spürte einen hei¬ ßen Athem an meiner Wange, ich blickte nicht auf, aber meine Hand zuckte, die Frevlerin von mir zu sto¬ ßen, die zu meinen Füßen niederkniete und ihren Kopf in meinem Schoße barg. "Sind Sie mir böse, Fräulein Hardine?" flüsterte sie mit ihrem kindlich¬ sten Klang.
Ob ich ihr böse war! Der Athem stockte mir und das Blut siedete im Grimm gegen die treu- und schamlose Schenkendirne. Ich wendete das Gesicht
ter, ſich in Küche und Keller halten. Der ſchäferli¬ chen Toilette noch gar nicht einmal zu gedenken. Un¬ ſere Tochter jedoch ſtand einmal in der Reihe und eine Reckenburg wird auf jedem Platze ihre Haltung zu behaupten wiſſen, zumal wenn eine Amtmannsfrau, die aus einer Mühle ſtammt, ihr beim Rückzug das Prävenire ſpielt.“
Ich erwiderte kein Wort, küßte den Eltern die Hand und eilte in meine Kammer. Ich dachte nicht daran, mich auszukleiden und niederzulegen. Unbe¬ weglich ſaß ich auf dem Bettrand, ich weiß nicht, wie lange. Mir war, als wäre ich von einem hohen Thurm gefallen und krauſe Phantome wirbelten in dem er¬ ſchütterten Hirn. Ich hörte einen leiſen Schritt an der Thür: ich rührte mich nicht; ich ſpürte einen hei¬ ßen Athem an meiner Wange, ich blickte nicht auf, aber meine Hand zuckte, die Frevlerin von mir zu ſto¬ ßen, die zu meinen Füßen niederkniete und ihren Kopf in meinem Schoße barg. „Sind Sie mir böſe, Fräulein Hardine?“ flüſterte ſie mit ihrem kindlich¬ ſten Klang.
Ob ich ihr böſe war! Der Athem ſtockte mir und das Blut ſiedete im Grimm gegen die treu- und ſchamloſe Schenkendirne. Ich wendete das Geſicht
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ter, ſich in Küche und Keller halten. Der ſchäferli¬
chen Toilette noch gar nicht einmal zu gedenken. Un¬
ſere Tochter jedoch ſtand einmal in der Reihe und eine
Reckenburg wird auf jedem Platze ihre Haltung zu
behaupten wiſſen, zumal wenn eine Amtmannsfrau,
die aus einer Mühle ſtammt, ihr beim Rückzug das
Prävenire ſpielt.“
Ich erwiderte kein Wort, küßte den Eltern die
Hand und eilte in meine Kammer. Ich dachte nicht
daran, mich auszukleiden und niederzulegen. Unbe¬
weglich ſaß ich auf dem Bettrand, ich weiß nicht, wie
lange. Mir war, als wäre ich von einem hohen Thurm
gefallen und krauſe Phantome wirbelten in dem er¬
ſchütterten Hirn. Ich hörte einen leiſen Schritt an
der Thür: ich rührte mich nicht; ich ſpürte einen hei¬
ßen Athem an meiner Wange, ich blickte nicht auf,
aber meine Hand zuckte, die Frevlerin von mir zu ſto¬
ßen, die zu meinen Füßen niederkniete und ihren Kopf
in meinem Schoße barg. „Sind Sie mir böſe,
Fräulein Hardine?“ flüſterte ſie mit ihrem kindlich¬
ſten Klang.
Ob ich ihr böſe war! Der Athem ſtockte mir
und das Blut ſiedete im Grimm gegen die treu- und
ſchamloſe Schenkendirne. Ich wendete das Geſicht
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/255>, abgerufen am 08.07.2024.
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