bedient werden sollte. Innerhalb jeder dieser Gruppen war, mit List und Gewalt, ein Platz offen gehalten worden, in der Hoffnung, daß der gefeierte Gast ihn zu dem seinigen erkiesen werde.
Aber die schon so vielfältig herausgeforderte Ent¬ rüstung schwoll zur Empörung, als der schnöde junge Herr keine der heimlich Erwartenden befriedigte und alle enttäuschte, indem er einfach inmitten seiner Zech¬ gesellschaft sitzen blieb; als er von keinem der mit so viel Kunst und Aufwand hergestellten Leckerbissen auch nur kostete, sondern sich mit einem Kringelchen begnügte, welches Hebe Dorl, auf einen Wink Meister Müllers, ihm in ihrem Blumenkörbchen präsentirte.
Wie ich die Erröthende mit einer unbeschreiblichen Neigung vor ihn treten sah; wie er aufsprang, sein Glas gegen sie hob und es in einem Zuge bis auf die Nagelprobe leerte, -- der Bissen im Munde stockte mir, und der Tropfen, mit dem ich ihn herunterspülen wollte, brannte mich wie Gift; aber es war ein Bild, vor welchem selber das zornsprühende Naturkind die Lust eines Künstlerauges begreifen mußte.
Programmgemäß sollte das Fest mit dem Souper zu Ende gehen. Alles rüstete sich zum Aufbruch. Unser bisher so lässiger Held jedoch fuhr plötzlich in die
Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. I. 16
bedient werden ſollte. Innerhalb jeder dieſer Gruppen war, mit Liſt und Gewalt, ein Platz offen gehalten worden, in der Hoffnung, daß der gefeierte Gaſt ihn zu dem ſeinigen erkieſen werde.
Aber die ſchon ſo vielfältig herausgeforderte Ent¬ rüſtung ſchwoll zur Empörung, als der ſchnöde junge Herr keine der heimlich Erwartenden befriedigte und alle enttäuſchte, indem er einfach inmitten ſeiner Zech¬ geſellſchaft ſitzen blieb; als er von keinem der mit ſo viel Kunſt und Aufwand hergeſtellten Leckerbiſſen auch nur koſtete, ſondern ſich mit einem Kringelchen begnügte, welches Hebe Dorl, auf einen Wink Meiſter Müllers, ihm in ihrem Blumenkörbchen präſentirte.
Wie ich die Erröthende mit einer unbeſchreiblichen Neigung vor ihn treten ſah; wie er aufſprang, ſein Glas gegen ſie hob und es in einem Zuge bis auf die Nagelprobe leerte, — der Biſſen im Munde ſtockte mir, und der Tropfen, mit dem ich ihn herunterſpülen wollte, brannte mich wie Gift; aber es war ein Bild, vor welchem ſelber das zornſprühende Naturkind die Luſt eines Künſtlerauges begreifen mußte.
Programmgemäß ſollte das Feſt mit dem Souper zu Ende gehen. Alles rüſtete ſich zum Aufbruch. Unſer bisher ſo läſſiger Held jedoch fuhr plötzlich in die
Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 16
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bedient werden ſollte. Innerhalb jeder dieſer Gruppen
war, mit Liſt und Gewalt, ein Platz offen gehalten
worden, in der Hoffnung, daß der gefeierte Gaſt ihn
zu dem ſeinigen erkieſen werde.
Aber die ſchon ſo vielfältig herausgeforderte Ent¬
rüſtung ſchwoll zur Empörung, als der ſchnöde junge
Herr keine der heimlich Erwartenden befriedigte und
alle enttäuſchte, indem er einfach inmitten ſeiner Zech¬
geſellſchaft ſitzen blieb; als er von keinem der mit ſo
viel Kunſt und Aufwand hergeſtellten Leckerbiſſen auch
nur koſtete, ſondern ſich mit einem Kringelchen begnügte,
welches Hebe Dorl, auf einen Wink Meiſter Müllers,
ihm in ihrem Blumenkörbchen präſentirte.
Wie ich die Erröthende mit einer unbeſchreiblichen
Neigung vor ihn treten ſah; wie er aufſprang, ſein
Glas gegen ſie hob und es in einem Zuge bis auf
die Nagelprobe leerte, — der Biſſen im Munde ſtockte
mir, und der Tropfen, mit dem ich ihn herunterſpülen
wollte, brannte mich wie Gift; aber es war ein Bild,
vor welchem ſelber das zornſprühende Naturkind die
Luſt eines Künſtlerauges begreifen mußte.
Programmgemäß ſollte das Feſt mit dem Souper
zu Ende gehen. Alles rüſtete ſich zum Aufbruch. Unſer
bisher ſo läſſiger Held jedoch fuhr plötzlich in die
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/248>, abgerufen am 16.02.2025.
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