über; keines entging dem prinzlichen Spott. "Nicht eine Physiognomie! nicht eine frische Natur!" rief er endlich verdrossen. "Und Alles das rühmt sich, nach Gott-Vaters Ebenbilde geschaffen zu sein. Wie haben Sie es fertig gebracht, Fräulein von Reckenburg, in¬ mitten dieser Larven, unter diesen platten, todten Her¬ kömmlichkeiten Sie selbst zu bleiben?"
"Ich bin zum erstenmale in Gesellschaft," konnte ich zu antworten mich nicht enthalten. Aber ich that es mit leidlichem Humor, denn ich saß einem Spie¬ gel gegenüber und begriff, wie viele Sommer er der meergrünen Brocatträgerin zusprechen mochte.
"Oder wie werden Sie es fertig bringen?" ver¬ besserte er sich.
"Nun, auch Durchlaucht werden es ja fertig brin¬ gen müssen," sagte ich lächelnd.
"Ich? beim Zeus, ich wahrlich nicht!" rief er aus. "Man hat mich hier an die Kette gelegt. Aber wähnt mein würdiger Vormund von Sachsen, daß der erste Kanonenschuß am Rhein diese Kette nicht spren¬ gen wird? Endlich, endlich ist es ja so weit! O, der Schmach, daß Franz von Oesterreich nach väterlichem Exempel zögern konnte, bis sein unglückseliger Ohm unter der Tortur seiner jacobinischen Häscher, ihm
über; keines entging dem prinzlichen Spott. „Nicht eine Phyſiognomie! nicht eine friſche Natur!“ rief er endlich verdroſſen. „Und Alles das rühmt ſich, nach Gott-Vaters Ebenbilde geſchaffen zu ſein. Wie haben Sie es fertig gebracht, Fräulein von Reckenburg, in¬ mitten dieſer Larven, unter dieſen platten, todten Her¬ kömmlichkeiten Sie ſelbſt zu bleiben?“
„Ich bin zum erſtenmale in Geſellſchaft,“ konnte ich zu antworten mich nicht enthalten. Aber ich that es mit leidlichem Humor, denn ich ſaß einem Spie¬ gel gegenüber und begriff, wie viele Sommer er der meergrünen Brocatträgerin zuſprechen mochte.
„Oder wie werden Sie es fertig bringen?“ ver¬ beſſerte er ſich.
„Nun, auch Durchlaucht werden es ja fertig brin¬ gen müſſen,“ ſagte ich lächelnd.
„Ich? beim Zeus, ich wahrlich nicht!“ rief er aus. „Man hat mich hier an die Kette gelegt. Aber wähnt mein würdiger Vormund von Sachſen, daß der erſte Kanonenſchuß am Rhein dieſe Kette nicht ſpren¬ gen wird? Endlich, endlich iſt es ja ſo weit! O, der Schmach, daß Franz von Oeſterreich nach väterlichem Exempel zögern konnte, bis ſein unglückſeliger Ohm unter der Tortur ſeiner jacobiniſchen Häſcher, ihm
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über; keines entging dem prinzlichen Spott. „Nicht
eine Phyſiognomie! nicht eine friſche Natur!“ rief er
endlich verdroſſen. „Und Alles das rühmt ſich, nach
Gott-Vaters Ebenbilde geſchaffen zu ſein. Wie haben
Sie es fertig gebracht, Fräulein von Reckenburg, in¬
mitten dieſer Larven, unter dieſen platten, todten Her¬
kömmlichkeiten Sie ſelbſt zu bleiben?“
„Ich bin zum erſtenmale in Geſellſchaft,“ konnte
ich zu antworten mich nicht enthalten. Aber ich that
es mit leidlichem Humor, denn ich ſaß einem Spie¬
gel gegenüber und begriff, wie viele Sommer er der
meergrünen Brocatträgerin zuſprechen mochte.
„Oder wie werden Sie es fertig bringen?“ ver¬
beſſerte er ſich.
„Nun, auch Durchlaucht werden es ja fertig brin¬
gen müſſen,“ ſagte ich lächelnd.
„Ich? beim Zeus, ich wahrlich nicht!“ rief er
aus. „Man hat mich hier an die Kette gelegt. Aber
wähnt mein würdiger Vormund von Sachſen, daß der
erſte Kanonenſchuß am Rhein dieſe Kette nicht ſpren¬
gen wird? Endlich, endlich iſt es ja ſo weit! O, der
Schmach, daß Franz von Oeſterreich nach väterlichem
Exempel zögern konnte, bis ſein unglückſeliger Ohm
unter der Tortur ſeiner jacobiniſchen Häſcher, ihm
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/242>, abgerufen am 16.02.2025.
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