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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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und fein erschienen sein würden ohne das große,
schwarzblaue Auge, das mit kühnem Feuer das Ant¬
litz beherrschte. Dazu das lichtblonde Bärtchen über
der heiter gekräuselten Oberlippe, die üppige Locken¬
welle, welche dem steifen Zopfband widerstrebte und
endlich jene sichere Lässigkeit in Tracht und Haltung,
die nur denen natürlich ist, deren Herablassung als
Huld betrachtet wird. Mein biederer Vater in seiner
Zwangsjacke und standfesten Würde spielte in meinen
Augen eine ärgerlich komische Figur neben diesem
Liebling der Grazien im bequemen, halbgeöffneten Collet.

Es war der erste Blick, mit dem ich diesen
vollen Eindruck erfaßte, und ich begriff während dieses
ersten Blicks die Erinnerungslust meiner achtzigjähri¬
gen Reckenburgerin, wenn der Sohn ihres Ungetreuen
seinem Vater ähnlich sah: Ja, seltsam -- sollte es
ein Ahnen der Zukunft gewesen sein? -- während
dieses ersten, kurzen Blickes, surrte es vor meinen
Ohren, wie die Todtenklage des Hadrian, die mir der
Prediger neulich so beweglich geschildert hatte, denn ein
Schönerer als dieser Antinous konnte das kaiserliche
Künstlerauge nicht erquickt haben.

Als der Vater meinen Namen nannte, stutzte der
Prinz, der noch eben, nachlässig mit dem Spitzentuche

und fein erſchienen ſein würden ohne das große,
ſchwarzblaue Auge, das mit kühnem Feuer das Ant¬
litz beherrſchte. Dazu das lichtblonde Bärtchen über
der heiter gekräuſelten Oberlippe, die üppige Locken¬
welle, welche dem ſteifen Zopfband widerſtrebte und
endlich jene ſichere Läſſigkeit in Tracht und Haltung,
die nur denen natürlich iſt, deren Herablaſſung als
Huld betrachtet wird. Mein biederer Vater in ſeiner
Zwangsjacke und ſtandfeſten Würde ſpielte in meinen
Augen eine ärgerlich komiſche Figur neben dieſem
Liebling der Grazien im bequemen, halbgeöffneten Collet.

Es war der erſte Blick, mit dem ich dieſen
vollen Eindruck erfaßte, und ich begriff während dieſes
erſten Blicks die Erinnerungsluſt meiner achtzigjähri¬
gen Reckenburgerin, wenn der Sohn ihres Ungetreuen
ſeinem Vater ähnlich ſah: Ja, ſeltſam — ſollte es
ein Ahnen der Zukunft geweſen ſein? — während
dieſes erſten, kurzen Blickes, ſurrte es vor meinen
Ohren, wie die Todtenklage des Hadrian, die mir der
Prediger neulich ſo beweglich geſchildert hatte, denn ein
Schönerer als dieſer Antinous konnte das kaiſerliche
Künſtlerauge nicht erquickt haben.

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[232/0239] und fein erſchienen ſein würden ohne das große, ſchwarzblaue Auge, das mit kühnem Feuer das Ant¬ litz beherrſchte. Dazu das lichtblonde Bärtchen über der heiter gekräuſelten Oberlippe, die üppige Locken¬ welle, welche dem ſteifen Zopfband widerſtrebte und endlich jene ſichere Läſſigkeit in Tracht und Haltung, die nur denen natürlich iſt, deren Herablaſſung als Huld betrachtet wird. Mein biederer Vater in ſeiner Zwangsjacke und ſtandfeſten Würde ſpielte in meinen Augen eine ärgerlich komiſche Figur neben dieſem Liebling der Grazien im bequemen, halbgeöffneten Collet. Es war der erſte Blick, mit dem ich dieſen vollen Eindruck erfaßte, und ich begriff während dieſes erſten Blicks die Erinnerungsluſt meiner achtzigjähri¬ gen Reckenburgerin, wenn der Sohn ihres Ungetreuen ſeinem Vater ähnlich ſah: Ja, ſeltſam — ſollte es ein Ahnen der Zukunft geweſen ſein? — während dieſes erſten, kurzen Blickes, ſurrte es vor meinen Ohren, wie die Todtenklage des Hadrian, die mir der Prediger neulich ſo beweglich geſchildert hatte, denn ein Schönerer als dieſer Antinous konnte das kaiſerliche Künſtlerauge nicht erquickt haben. Als der Vater meinen Namen nannte, ſtutzte der Prinz, der noch eben, nachläſſig mit dem Spitzentuche

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/239>, abgerufen am 22.11.2024.