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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Woche gewesen sei. Da zwitscherte denn die Dorl
mit ihrem Lerchenstimmchen die Arien, welche der mo¬
dischen Lectüre entsprachen: "vom Kühnsten aller Räu¬
ber, den der Kuß seiner Rosa weckt," oder "von dem
Robert, den Elise an ihr klopfendes Herz" ruft.

"Jungfer Ehrenhardine" schüttelte gar weise den
Kopf. Denn wenn auch die Kleine diese Bedenklich¬
keiten mit der kindlichsten Unschuld las und sang, ohne
es zu wissen, that sie es aus Langeweile, der recht
eigentlichen Mutter weiblicher Schuld. Sie bewun¬
derte meine Gelassenheit bei der Nachricht, daß ein
Trauerfall in der landesherlichen Sippe laute Lustbar¬
keiten für die Donnerstagsgesellschaft während des
Sommers verbiete. "Ich möchte Sie nur ein einzi¬
ges Mal tanzen sehen, Fräulein Hardine," sagte sie
seufzend, "oder nur ein einziges Mal selber wieder
tanzen wie sonst mit dem gnädigen Herrn Papa."

Der Faber hatte zum Weihnachtsangebinde eine
schöne Granatschnur geschickt und als Gegengeschenk
eine Perltasche für sein Verbandzeug erhalten. "Einen
Tabaksbeutel hätte ich viel lieber gestrickt," meinte
die Dorl. "Aber er raucht ja nicht; er kennt ja kein
Vergnügen, als seine gräßlichen Messer und Zangen."
Im Uebrigen studirte und praktizirte Siegmund Fa¬

Woche geweſen ſei. Da zwitſcherte denn die Dorl
mit ihrem Lerchenſtimmchen die Arien, welche der mo¬
diſchen Lectüre entſprachen: „vom Kühnſten aller Räu¬
ber, den der Kuß ſeiner Roſa weckt,“ oder „von dem
Robert, den Eliſe an ihr klopfendes Herz“ ruft.

„Jungfer Ehrenhardine“ ſchüttelte gar weiſe den
Kopf. Denn wenn auch die Kleine dieſe Bedenklich¬
keiten mit der kindlichſten Unſchuld las und ſang, ohne
es zu wiſſen, that ſie es aus Langeweile, der recht
eigentlichen Mutter weiblicher Schuld. Sie bewun¬
derte meine Gelaſſenheit bei der Nachricht, daß ein
Trauerfall in der landesherlichen Sippe laute Luſtbar¬
keiten für die Donnerſtagsgeſellſchaft während des
Sommers verbiete. „Ich möchte Sie nur ein einzi¬
ges Mal tanzen ſehen, Fräulein Hardine,“ ſagte ſie
ſeufzend, „oder nur ein einziges Mal ſelber wieder
tanzen wie ſonſt mit dem gnädigen Herrn Papa.“

Der Faber hatte zum Weihnachtsangebinde eine
ſchöne Granatſchnur geſchickt und als Gegengeſchenk
eine Perltaſche für ſein Verbandzeug erhalten. „Einen
Tabaksbeutel hätte ich viel lieber geſtrickt,“ meinte
die Dorl. „Aber er raucht ja nicht; er kennt ja kein
Vergnügen, als ſeine gräßlichen Meſſer und Zangen.“
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[208/0215] Woche geweſen ſei. Da zwitſcherte denn die Dorl mit ihrem Lerchenſtimmchen die Arien, welche der mo¬ diſchen Lectüre entſprachen: „vom Kühnſten aller Räu¬ ber, den der Kuß ſeiner Roſa weckt,“ oder „von dem Robert, den Eliſe an ihr klopfendes Herz“ ruft. „Jungfer Ehrenhardine“ ſchüttelte gar weiſe den Kopf. Denn wenn auch die Kleine dieſe Bedenklich¬ keiten mit der kindlichſten Unſchuld las und ſang, ohne es zu wiſſen, that ſie es aus Langeweile, der recht eigentlichen Mutter weiblicher Schuld. Sie bewun¬ derte meine Gelaſſenheit bei der Nachricht, daß ein Trauerfall in der landesherlichen Sippe laute Luſtbar¬ keiten für die Donnerſtagsgeſellſchaft während des Sommers verbiete. „Ich möchte Sie nur ein einzi¬ ges Mal tanzen ſehen, Fräulein Hardine,“ ſagte ſie ſeufzend, „oder nur ein einziges Mal ſelber wieder tanzen wie ſonſt mit dem gnädigen Herrn Papa.“ Der Faber hatte zum Weihnachtsangebinde eine ſchöne Granatſchnur geſchickt und als Gegengeſchenk eine Perltaſche für ſein Verbandzeug erhalten. „Einen Tabaksbeutel hätte ich viel lieber geſtrickt,“ meinte die Dorl. „Aber er raucht ja nicht; er kennt ja kein Vergnügen, als ſeine gräßlichen Meſſer und Zangen.“ Im Uebrigen ſtudirte und praktizirte Siegmund Fa¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/215>, abgerufen am 25.11.2024.