"Aber Fräulein Hardine!" fiel ungeduldig die Zuhörerin ein, als hier der Erzähler eine Pause machte.
"Nun Fräulein Hardine," fuhr dieser fort, "Fräulein Hardine, die kam denn auch wohl dann und wann auf Besuch zu unserem Probst, schnitt aber regelmäßig ein essigsaures Gesicht, so oft ich ihr vor¬ geführt ward, raisonnirte, weil ich nichts lernen wollte, und schimpfte mich einen Wildling oder dergleichen. Einmal hat sie mir in der Bosheit auch eine ganz gehörige Backpfeife applicirt."
Frau Lisette fuhr auf wie electrisirt. -- "Eine Backpfeife!" rief sie mit dem Ausdruck höchster Be¬ friedigung; "eine Backpfeife, August -- "
"Ganz gewiß nicht unverdient, Lisette!"
"Gezüchtigt mit eigener Hand! Und das soll nicht seine Mutter gewesen sein!"
"So? Du hättest also eher Deinen eigenen Wurm als einen fremden durchgewichst?"
Die arme Mutter nahm bei dieser Gewissens¬ frage ziemlich kleinlaut ihr Nähzeug wieder auf. -- "Ein adeliges Fräulein und unter den Augen der geist¬ lichen Obrigkeit, sie muß doch ein Recht dazu besessen haben," -- murmelte sie wohl noch, wurde aber nicht
„Aber Fräulein Hardine!“ fiel ungeduldig die Zuhörerin ein, als hier der Erzähler eine Pauſe machte.
„Nun Fräulein Hardine,“ fuhr dieſer fort, „Fräulein Hardine, die kam denn auch wohl dann und wann auf Beſuch zu unſerem Probſt, ſchnitt aber regelmäßig ein eſſigſaures Geſicht, ſo oft ich ihr vor¬ geführt ward, raiſonnirte, weil ich nichts lernen wollte, und ſchimpfte mich einen Wildling oder dergleichen. Einmal hat ſie mir in der Bosheit auch eine ganz gehörige Backpfeife applicirt.“
Frau Liſette fuhr auf wie electriſirt. — „Eine Backpfeife!“ rief ſie mit dem Ausdruck höchſter Be¬ friedigung; „eine Backpfeife, Auguſt — “
„Ganz gewiß nicht unverdient, Liſette!“
„Gezüchtigt mit eigener Hand! Und das ſoll nicht ſeine Mutter geweſen ſein!“
„So? Du hätteſt alſo eher Deinen eigenen Wurm als einen fremden durchgewichſt?“
Die arme Mutter nahm bei dieſer Gewiſſens¬ frage ziemlich kleinlaut ihr Nähzeug wieder auf. — „Ein adeliges Fräulein und unter den Augen der geiſt¬ lichen Obrigkeit, ſie muß doch ein Recht dazu beſeſſen haben,“ — murmelte ſie wohl noch, wurde aber nicht
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„Aber Fräulein Hardine!“ fiel ungeduldig die
Zuhörerin ein, als hier der Erzähler eine Pauſe
machte.
„Nun Fräulein Hardine,“ fuhr dieſer fort,
„Fräulein Hardine, die kam denn auch wohl dann
und wann auf Beſuch zu unſerem Probſt, ſchnitt aber
regelmäßig ein eſſigſaures Geſicht, ſo oft ich ihr vor¬
geführt ward, raiſonnirte, weil ich nichts lernen wollte,
und ſchimpfte mich einen Wildling oder dergleichen.
Einmal hat ſie mir in der Bosheit auch eine ganz
gehörige Backpfeife applicirt.“
Frau Liſette fuhr auf wie electriſirt. — „Eine
Backpfeife!“ rief ſie mit dem Ausdruck höchſter Be¬
friedigung; „eine Backpfeife, Auguſt — “
„Ganz gewiß nicht unverdient, Liſette!“
„Gezüchtigt mit eigener Hand! Und das ſoll
nicht ſeine Mutter geweſen ſein!“
„So? Du hätteſt alſo eher Deinen eigenen
Wurm als einen fremden durchgewichſt?“
Die arme Mutter nahm bei dieſer Gewiſſens¬
frage ziemlich kleinlaut ihr Nähzeug wieder auf. —
„Ein adeliges Fräulein und unter den Augen der geiſt¬
lichen Obrigkeit, ſie muß doch ein Recht dazu beſeſſen
haben,“ — murmelte ſie wohl noch, wurde aber nicht
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/21>, abgerufen am 31.07.2024.
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