ersten ab, kehrte ich in seiner Klause ein; jeden Abend führte er mich zurück bis an die Schwelle jener an¬ deren Klause, in welcher eine Eremitin entgegengesetz¬ ten Schlags ihre Weisheit vernehmen ließ, und seine Hoffnung wurde nicht müde, wenn auch die Lehren des alten Weltkindes eindringlicher als die des plato¬ nischen Weltjüngers in beider Zögling hafteten.
So war ich denn in doppelter Weise in die hohe Schule der Reckenburger eingeführt und wenige Stu¬ diosi werden sich rühmen dürfen, so selten ein unklu¬ ges oder verbrauchtes Wort von ihren Meistern ge¬ hört zu haben. Am lautesten und erweckendsten aber sprach mir die Dritte in dem bildenden Bunde: die Natur? -- nein, mit dem stolzen Namen nenne ich sie nicht, aber meine von Tage zu Tage inniger ver¬ traute, altväterliche Flur. In ihr wußte ich mich aus¬ zufinden, in ihr kannte ich Weg und Steg, sie wurde die Welt, in der auch ich eines Tages zur Eremitin werden sollte. Die ursprüngliche Neigung meines Wesens trieb mich nicht in die Gesellschaft und nicht in den Büchersaal; sie trieb mich in einen Winkel heimischer Erde, in dem ich mir eine Werkstatt grün¬ den durfte.
Indessen machte ich Fortschritte und meine kluge
erſten ab, kehrte ich in ſeiner Klauſe ein; jeden Abend führte er mich zurück bis an die Schwelle jener an¬ deren Klauſe, in welcher eine Eremitin entgegengeſetz¬ ten Schlags ihre Weisheit vernehmen ließ, und ſeine Hoffnung wurde nicht müde, wenn auch die Lehren des alten Weltkindes eindringlicher als die des plato¬ niſchen Weltjüngers in beider Zögling hafteten.
So war ich denn in doppelter Weiſe in die hohe Schule der Reckenburger eingeführt und wenige Stu¬ dioſi werden ſich rühmen dürfen, ſo ſelten ein unklu¬ ges oder verbrauchtes Wort von ihren Meiſtern ge¬ hört zu haben. Am lauteſten und erweckendſten aber ſprach mir die Dritte in dem bildenden Bunde: die Natur? — nein, mit dem ſtolzen Namen nenne ich ſie nicht, aber meine von Tage zu Tage inniger ver¬ traute, altväterliche Flur. In ihr wußte ich mich aus¬ zufinden, in ihr kannte ich Weg und Steg, ſie wurde die Welt, in der auch ich eines Tages zur Eremitin werden ſollte. Die urſprüngliche Neigung meines Weſens trieb mich nicht in die Geſellſchaft und nicht in den Bücherſaal; ſie trieb mich in einen Winkel heimiſcher Erde, in dem ich mir eine Werkſtatt grün¬ den durfte.
Indeſſen machte ich Fortſchritte und meine kluge
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="198"/>
erſten ab, kehrte ich in ſeiner Klauſe ein; jeden Abend<lb/>
führte er mich zurück bis an die Schwelle jener an¬<lb/>
deren Klauſe, in welcher eine Eremitin entgegengeſetz¬<lb/>
ten Schlags ihre Weisheit vernehmen ließ, und ſeine<lb/>
Hoffnung wurde nicht müde, wenn auch die Lehren<lb/>
des alten Weltkindes eindringlicher als die des plato¬<lb/>
niſchen Weltjüngers in beider Zögling hafteten.</p><lb/><p>So war ich denn in doppelter Weiſe in die hohe<lb/>
Schule der Reckenburger eingeführt und wenige Stu¬<lb/>
dioſi werden ſich rühmen dürfen, ſo ſelten ein unklu¬<lb/>
ges oder verbrauchtes Wort von ihren Meiſtern ge¬<lb/>
hört zu haben. Am lauteſten und erweckendſten aber<lb/>ſprach mir die Dritte in dem bildenden Bunde: die<lb/>
Natur? — nein, mit dem ſtolzen Namen nenne ich<lb/>ſie nicht, aber meine von Tage zu Tage inniger ver¬<lb/>
traute, altväterliche Flur. In ihr wußte ich mich aus¬<lb/>
zufinden, in ihr kannte ich Weg und Steg, ſie wurde<lb/>
die Welt, in der auch ich eines Tages zur Eremitin<lb/>
werden ſollte. Die urſprüngliche Neigung meines<lb/>
Weſens trieb mich nicht in die Geſellſchaft und nicht<lb/>
in den Bücherſaal; ſie trieb mich in einen Winkel<lb/>
heimiſcher Erde, in dem ich mir eine Werkſtatt grün¬<lb/>
den durfte.</p><lb/><p>Indeſſen machte ich Fortſchritte und meine kluge<lb/></p></div></body></text></TEI>
[198/0205]
erſten ab, kehrte ich in ſeiner Klauſe ein; jeden Abend
führte er mich zurück bis an die Schwelle jener an¬
deren Klauſe, in welcher eine Eremitin entgegengeſetz¬
ten Schlags ihre Weisheit vernehmen ließ, und ſeine
Hoffnung wurde nicht müde, wenn auch die Lehren
des alten Weltkindes eindringlicher als die des plato¬
niſchen Weltjüngers in beider Zögling hafteten.
So war ich denn in doppelter Weiſe in die hohe
Schule der Reckenburger eingeführt und wenige Stu¬
dioſi werden ſich rühmen dürfen, ſo ſelten ein unklu¬
ges oder verbrauchtes Wort von ihren Meiſtern ge¬
hört zu haben. Am lauteſten und erweckendſten aber
ſprach mir die Dritte in dem bildenden Bunde: die
Natur? — nein, mit dem ſtolzen Namen nenne ich
ſie nicht, aber meine von Tage zu Tage inniger ver¬
traute, altväterliche Flur. In ihr wußte ich mich aus¬
zufinden, in ihr kannte ich Weg und Steg, ſie wurde
die Welt, in der auch ich eines Tages zur Eremitin
werden ſollte. Die urſprüngliche Neigung meines
Weſens trieb mich nicht in die Geſellſchaft und nicht
in den Bücherſaal; ſie trieb mich in einen Winkel
heimiſcher Erde, in dem ich mir eine Werkſtatt grün¬
den durfte.
Indeſſen machte ich Fortſchritte und meine kluge
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/205>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.