lassen, und dankte ich diesen unbewußten Plaudereien in der Folge manche Enthüllung, die sie mir bewußt nicht gemacht haben würde. Bei ihren heutigen Glossen aber war es ihr jedenfalls mehr als gleich¬ gültig, ob ich sie auffing oder nicht.
"Grobschlächtig, aber frisches Blut!" sagte sie nach einem musternden Blick, mit dem Kopfe nickend. "Eine Weiße! Wir Schwarzen von jeher feiner und schön. -- Leidliche Tournüre! -- Wo hast Du tan¬ zen gelernt?" fragte sie darauf, zu mir gewendet.
Glosse der Gräfin: "Sächsischer Cadet. Gute Schule!"
Zweite Frage: "Verstehst Du französisch?"
"Meine Mutter hat immer französisch mit mir gesprochen, gnädige Gräfin."
"Recitire ein Paar Sätze. Gleichgültig was."
Mir fiel just nichts anderes ein, als meine letzte Gedächtnißübung; eine Fabel, den Segen schildernd, der den Nachkommen aus der Arbeit der Greise er¬ wächst. Unbekümmert um das A propos oder Mal a propos dieser Wahl deklamirte ich meinen octoge¬ naire plantant frisch von der Leber von A bis Z.
laſſen, und dankte ich dieſen unbewußten Plaudereien in der Folge manche Enthüllung, die ſie mir bewußt nicht gemacht haben würde. Bei ihren heutigen Gloſſen aber war es ihr jedenfalls mehr als gleich¬ gültig, ob ich ſie auffing oder nicht.
„Grobſchlächtig, aber friſches Blut!“ ſagte ſie nach einem muſternden Blick, mit dem Kopfe nickend. „Eine Weiße! Wir Schwarzen von jeher feiner und ſchön. — Leidliche Tournüre! — Wo haſt Du tan¬ zen gelernt?“ fragte ſie darauf, zu mir gewendet.
Gloſſe der Gräfin: „Sächſiſcher Cadet. Gute Schule!“
Zweite Frage: „Verſtehſt Du franzöſiſch?“
„Meine Mutter hat immer franzöſiſch mit mir geſprochen, gnädige Gräfin.“
„Recitire ein Paar Sätze. Gleichgültig was.“
Mir fiel juſt nichts anderes ein, als meine letzte Gedächtnißübung; eine Fabel, den Segen ſchildernd, der den Nachkommen aus der Arbeit der Greiſe er¬ wächſt. Unbekümmert um das A propos oder Mal à propos dieſer Wahl deklamirte ich meinen octogé¬ naire plantant friſch von der Leber von A bis Z.
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laſſen, und dankte ich dieſen unbewußten Plaudereien
in der Folge manche Enthüllung, die ſie mir bewußt
nicht gemacht haben würde. Bei ihren heutigen
Gloſſen aber war es ihr jedenfalls mehr als gleich¬
gültig, ob ich ſie auffing oder nicht.
„Grobſchlächtig, aber friſches Blut!“ ſagte ſie
nach einem muſternden Blick, mit dem Kopfe nickend.
„Eine Weiße! Wir Schwarzen von jeher feiner und
ſchön. — Leidliche Tournüre! — Wo haſt Du tan¬
zen gelernt?“ fragte ſie darauf, zu mir gewendet.
„Bei meinem Vater, gnädige Gräfin,“ antwor¬
tete ich.
Gloſſe der Gräfin: „Sächſiſcher Cadet. Gute
Schule!“
Zweite Frage: „Verſtehſt Du franzöſiſch?“
„Meine Mutter hat immer franzöſiſch mit mir
geſprochen, gnädige Gräfin.“
„Recitire ein Paar Sätze. Gleichgültig was.“
Mir fiel juſt nichts anderes ein, als meine letzte
Gedächtnißübung; eine Fabel, den Segen ſchildernd,
der den Nachkommen aus der Arbeit der Greiſe er¬
wächſt. Unbekümmert um das A propos oder Mal
à propos dieſer Wahl deklamirte ich meinen octogé¬
naire plantant friſch von der Leber von A bis Z.
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/192>, abgerufen am 31.07.2024.
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