auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber einem schleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬ tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krause geschlossen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein runder Hut mit wallendem Federschmuck. Ich habe die Gräfin späterhin, selbst in den vertraulichsten Situationen niemals ohne ihren "spanischen" Hut und Mantel, wie auch niemals ohne Handschuhe gesehen und ihre Mode praktisch gefunden. Sie war warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬ stört haben würde. Beim ersten Eindruck aber, im Dämmerlicht des geisterstillen Palastes, wird man mir ein gelindes Gruseln nicht übel nehmen.
Indessen war ich nicht dauernd auf apprehensive Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin sich in ihrem Lehnstuhle verschnauft, hatte ich meine natürliche Fas¬ sung wiedergewonnen. Ich schritt herzhaft auf sie zu und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬ ten Style, der einer Reckenburgerin, fürstlichem An¬ sehen gegenüber, als Vorschrift galt.
Die Gräfin hatte nach einsamer und etwas hart¬ höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬ drücke oder Einfälle vor sich selber laut werden zu
auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber einem ſchleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬ tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krauſe geſchloſſen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein runder Hut mit wallendem Federſchmuck. Ich habe die Gräfin ſpäterhin, ſelbſt in den vertraulichſten Situationen niemals ohne ihren „ſpaniſchen“ Hut und Mantel, wie auch niemals ohne Handſchuhe geſehen und ihre Mode praktiſch gefunden. Sie war warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬ ſtört haben würde. Beim erſten Eindruck aber, im Dämmerlicht des geiſterſtillen Palaſtes, wird man mir ein gelindes Gruſeln nicht übel nehmen.
Indeſſen war ich nicht dauernd auf apprehenſive Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin ſich in ihrem Lehnſtuhle verſchnauft, hatte ich meine natürliche Faſ¬ ſung wiedergewonnen. Ich ſchritt herzhaft auf ſie zu und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬ ten Style, der einer Reckenburgerin, fürſtlichem An¬ ſehen gegenüber, als Vorſchrift galt.
Die Gräfin hatte nach einſamer und etwas hart¬ höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬ drücke oder Einfälle vor ſich ſelber laut werden zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0191"n="184"/>
auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber<lb/>
einem ſchleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬<lb/>
tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krauſe<lb/>
geſchloſſen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein<lb/>
runder Hut mit wallendem Federſchmuck. Ich habe<lb/>
die Gräfin ſpäterhin, ſelbſt in den vertraulichſten<lb/>
Situationen niemals ohne ihren „ſpaniſchen“ Hut<lb/>
und Mantel, wie auch niemals ohne Handſchuhe<lb/>
geſehen und ihre Mode praktiſch gefunden. Sie war<lb/>
warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen<lb/>
Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬<lb/>ſtört haben würde. Beim erſten Eindruck aber, im<lb/>
Dämmerlicht des geiſterſtillen Palaſtes, wird man mir<lb/>
ein gelindes Gruſeln nicht übel nehmen.</p><lb/><p>Indeſſen war ich nicht dauernd auf apprehenſive<lb/>
Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin ſich in ihrem<lb/>
Lehnſtuhle verſchnauft, hatte ich meine natürliche Faſ¬<lb/>ſung wiedergewonnen. Ich ſchritt herzhaft auf ſie zu<lb/>
und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬<lb/>
ten Style, der einer Reckenburgerin, fürſtlichem An¬<lb/>ſehen gegenüber, als Vorſchrift galt.</p><lb/><p>Die Gräfin hatte nach einſamer und etwas hart¬<lb/>
höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬<lb/>
drücke oder Einfälle vor ſich ſelber laut werden zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0191]
auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber
einem ſchleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬
tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krauſe
geſchloſſen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein
runder Hut mit wallendem Federſchmuck. Ich habe
die Gräfin ſpäterhin, ſelbſt in den vertraulichſten
Situationen niemals ohne ihren „ſpaniſchen“ Hut
und Mantel, wie auch niemals ohne Handſchuhe
geſehen und ihre Mode praktiſch gefunden. Sie war
warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen
Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬
ſtört haben würde. Beim erſten Eindruck aber, im
Dämmerlicht des geiſterſtillen Palaſtes, wird man mir
ein gelindes Gruſeln nicht übel nehmen.
Indeſſen war ich nicht dauernd auf apprehenſive
Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin ſich in ihrem
Lehnſtuhle verſchnauft, hatte ich meine natürliche Faſ¬
ſung wiedergewonnen. Ich ſchritt herzhaft auf ſie zu
und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬
ten Style, der einer Reckenburgerin, fürſtlichem An¬
ſehen gegenüber, als Vorſchrift galt.
Die Gräfin hatte nach einſamer und etwas hart¬
höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬
drücke oder Einfälle vor ſich ſelber laut werden zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/191>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.