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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Von der Zeit ab sah sie unser Volk im spanischen
Habit, Tag wie Nacht, die Schätze ihrer Klause mit
Drachenaugen hüten und mit feurigen Waffen ver¬
theidigen. Unermeßliche Schätze! Je höher die Ziffer
gegriffen, desto einleuchtender für das hungernde, lun¬
gernde Gesindel, das nur nach Hellern und Kreuzern
zu rechnen verstand und niemals einen Heller oder
Kreuzer aus der Hand der zähen Alten besehen hatte.

Ob die Gräfin von diesem fabelhaften Nimbus
um ihre Person jemals Kunde erhalten hat, weiß ich
nicht. Ohne Zweifel aber würde er ihr, anstatt wider¬
wärtig, willkommen erschienen sein als eine sicher
stellende Schicht gegen eine beschwerliche, oder bedroh¬
liche Welt. Sie hatte mit richtigem Blick den öst¬
lichen Erkerbau des Schlosses zu ihrer Schlaf- und
Schatzkammer ausersehen, weil er, von Außen unzu¬
gänglich, auch von Innen die größtmöglichste Sicher¬
heit bot. Handwerker, aus weiter Ferne verschrieben,
hatten in die tiefen Nischen feuerfeste Schränke, mit
kunstvollen Schlössern eingefügt. Nur durch eine mas¬
kirte Schrankthür stand der "Goldthurm" mit dem
Zimmer der alten, vertrauten Kammerfrau und durch
dieses mit dem Corridor in Verbindung, auf welchem
die beiden, abwechselnd Wache haltenden Heiducken

Von der Zeit ab ſah ſie unſer Volk im ſpaniſchen
Habit, Tag wie Nacht, die Schätze ihrer Klauſe mit
Drachenaugen hüten und mit feurigen Waffen ver¬
theidigen. Unermeßliche Schätze! Je höher die Ziffer
gegriffen, deſto einleuchtender für das hungernde, lun¬
gernde Geſindel, das nur nach Hellern und Kreuzern
zu rechnen verſtand und niemals einen Heller oder
Kreuzer aus der Hand der zähen Alten beſehen hatte.

Ob die Gräfin von dieſem fabelhaften Nimbus
um ihre Perſon jemals Kunde erhalten hat, weiß ich
nicht. Ohne Zweifel aber würde er ihr, anſtatt wider¬
wärtig, willkommen erſchienen ſein als eine ſicher
ſtellende Schicht gegen eine beſchwerliche, oder bedroh¬
liche Welt. Sie hatte mit richtigem Blick den öſt¬
lichen Erkerbau des Schloſſes zu ihrer Schlaf- und
Schatzkammer auserſehen, weil er, von Außen unzu¬
gänglich, auch von Innen die größtmöglichſte Sicher¬
heit bot. Handwerker, aus weiter Ferne verſchrieben,
hatten in die tiefen Niſchen feuerfeſte Schränke, mit
kunſtvollen Schlöſſern eingefügt. Nur durch eine mas¬
kirte Schrankthür ſtand der „Goldthurm“ mit dem
Zimmer der alten, vertrauten Kammerfrau und durch
dieſes mit dem Corridor in Verbindung, auf welchem
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[172/0179] Von der Zeit ab ſah ſie unſer Volk im ſpaniſchen Habit, Tag wie Nacht, die Schätze ihrer Klauſe mit Drachenaugen hüten und mit feurigen Waffen ver¬ theidigen. Unermeßliche Schätze! Je höher die Ziffer gegriffen, deſto einleuchtender für das hungernde, lun¬ gernde Geſindel, das nur nach Hellern und Kreuzern zu rechnen verſtand und niemals einen Heller oder Kreuzer aus der Hand der zähen Alten beſehen hatte. Ob die Gräfin von dieſem fabelhaften Nimbus um ihre Perſon jemals Kunde erhalten hat, weiß ich nicht. Ohne Zweifel aber würde er ihr, anſtatt wider¬ wärtig, willkommen erſchienen ſein als eine ſicher ſtellende Schicht gegen eine beſchwerliche, oder bedroh¬ liche Welt. Sie hatte mit richtigem Blick den öſt¬ lichen Erkerbau des Schloſſes zu ihrer Schlaf- und Schatzkammer auserſehen, weil er, von Außen unzu¬ gänglich, auch von Innen die größtmöglichſte Sicher¬ heit bot. Handwerker, aus weiter Ferne verſchrieben, hatten in die tiefen Niſchen feuerfeſte Schränke, mit kunſtvollen Schlöſſern eingefügt. Nur durch eine mas¬ kirte Schrankthür ſtand der „Goldthurm“ mit dem Zimmer der alten, vertrauten Kammerfrau und durch dieſes mit dem Corridor in Verbindung, auf welchem die beiden, abwechſelnd Wache haltenden Heiducken

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/179>, abgerufen am 24.11.2024.