ken Zeiten keine Rede war, braucht nicht erörtert zu werden, aber auch der Adel gewährte sie nicht, denn die reinste Ahnenprobe führte eine abgeblühte Schöne bestenfalls in ein Fräuleinstift. Nur eine Goldtonne war ein zuverlässiges Piedestal. Zwischen Fest und Spiel, inmitten der gewissenlosen Wirthschaft eines Brühl und seiner tollen Nacheiferer, gab es am Hofe von Sachsen ein junges Mädchen, das mit heimlichem Hohn die Schnüre seines Beutels fest in den Händen hielt und mit der nüchternen Berechnung eines Man¬ nes seinen Schatz zu mehren verstand. Mochten die Kartenhäuser um sie her zusammenstürzen, sie stand sicher, sie durfte steigen.
Tag für Tag meldete sich ein Bewerber um die Hand der reichsten Partie des Landes. Keiner ge¬ nügte ihrem hochstrebenden Sinn. Sie war dreißig Jahre alt geworden und wählte noch immer. "Der Rechte wird kommen!" sagte sie sich, wenn sie ihr Contobuch zugeklappt und ein beredtes Schönpfläster¬ chen auf die geschminkte Wange geheftet hatte, um ihrer Herrin -- jetzt der Nachfolgerin der Brandenburg¬ schen Eberhardine -- zu einem Feste des unerschöpf¬ lich erfinderischen, allgewaltigen Ministers zu folgen.
Und der Rechte kam noch zur rechten Zeit, bevor
Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. I. 11
ken Zeiten keine Rede war, braucht nicht erörtert zu werden, aber auch der Adel gewährte ſie nicht, denn die reinſte Ahnenprobe führte eine abgeblühte Schöne beſtenfalls in ein Fräuleinſtift. Nur eine Goldtonne war ein zuverläſſiges Piedeſtal. Zwiſchen Feſt und Spiel, inmitten der gewiſſenloſen Wirthſchaft eines Brühl und ſeiner tollen Nacheiferer, gab es am Hofe von Sachſen ein junges Mädchen, das mit heimlichem Hohn die Schnüre ſeines Beutels feſt in den Händen hielt und mit der nüchternen Berechnung eines Man¬ nes ſeinen Schatz zu mehren verſtand. Mochten die Kartenhäuſer um ſie her zuſammenſtürzen, ſie ſtand ſicher, ſie durfte ſteigen.
Tag für Tag meldete ſich ein Bewerber um die Hand der reichſten Partie des Landes. Keiner ge¬ nügte ihrem hochſtrebenden Sinn. Sie war dreißig Jahre alt geworden und wählte noch immer. „Der Rechte wird kommen!“ ſagte ſie ſich, wenn ſie ihr Contobuch zugeklappt und ein beredtes Schönpfläſter¬ chen auf die geſchminkte Wange geheftet hatte, um ihrer Herrin — jetzt der Nachfolgerin der Brandenburg¬ ſchen Eberhardine — zu einem Feſte des unerſchöpf¬ lich erfinderiſchen, allgewaltigen Miniſters zu folgen.
Und der Rechte kam noch zur rechten Zeit, bevor
Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 11
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werden, aber auch der Adel gewährte ſie nicht, denn
die reinſte Ahnenprobe führte eine abgeblühte Schöne
beſtenfalls in ein Fräuleinſtift. Nur eine Goldtonne
war ein zuverläſſiges Piedeſtal. Zwiſchen Feſt und
Spiel, inmitten der gewiſſenloſen Wirthſchaft eines
Brühl und ſeiner tollen Nacheiferer, gab es am Hofe
von Sachſen ein junges Mädchen, das mit heimlichem
Hohn die Schnüre ſeines Beutels feſt in den Händen
hielt und mit der nüchternen Berechnung eines Man¬
nes ſeinen Schatz zu mehren verſtand. Mochten die
Kartenhäuſer um ſie her zuſammenſtürzen, ſie ſtand
ſicher, ſie durfte ſteigen.
Tag für Tag meldete ſich ein Bewerber um die
Hand der reichſten Partie des Landes. Keiner ge¬
nügte ihrem hochſtrebenden Sinn. Sie war dreißig
Jahre alt geworden und wählte noch immer. „Der
Rechte wird kommen!“ ſagte ſie ſich, wenn ſie ihr
Contobuch zugeklappt und ein beredtes Schönpfläſter¬
chen auf die geſchminkte Wange geheftet hatte, um
ihrer Herrin — jetzt der Nachfolgerin der Brandenburg¬
ſchen Eberhardine — zu einem Feſte des unerſchöpf¬
lich erfinderiſchen, allgewaltigen Miniſters zu folgen.
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/168>, abgerufen am 31.07.2024.
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