gin und Bürgin unseres Verspruchs," rief der junge Bräutigam, sich zu mir wendend.
Ich sagte nicht Amen, aber ich drückte Siegmund Faber die Hand, und umarmte -- schweren Herzens, Gott weiß! -- seine strahlende Braut.
Auch Siegmund Faber -- daß es an keiner Ver¬ lobungsförmlichkeit fehle -- hauchte einen Kuß auf Dorotheens Stirn, so zagend jedoch, als ob er sich fürchte, einen gefährlichen Sinn in dem Kinde -- oder in sich selber? -- zu erwecken. Dann aber, wieder ernst und feierlich wie beim Beginn der selt¬ samen Scene, streifte er zwei einfache Goldreifen von seiner Hand, steckte den einen an seinen eignen Ring¬ finger, den anderen an den seiner Braut und sprach:
"Die Trauringe meiner Eltern! Wenn ich eines Tages, diesen Reif am Finger, Ihnen gegenüber treten werde, Dorothee, dann wissen Sie, ohne Wort, daß ich in Treuen und Ehren mein Ziel erreichte. Und wenn ich den anderen dann an Ihrer Hand gewahre, dann weiß ich, ohne Wort, daß ich in Treuen und Ehren mein Weib zum Altare führen darf."
Der Wagen der Eltern fuhr in diesem Augen¬ blicke vor. Langsam schritt ich meinem Hause, rasch
gin und Bürgin unſeres Verſpruchs,“ rief der junge Bräutigam, ſich zu mir wendend.
Ich ſagte nicht Amen, aber ich drückte Siegmund Faber die Hand, und umarmte — ſchweren Herzens, Gott weiß! — ſeine ſtrahlende Braut.
Auch Siegmund Faber — daß es an keiner Ver¬ lobungsförmlichkeit fehle — hauchte einen Kuß auf Dorotheens Stirn, ſo zagend jedoch, als ob er ſich fürchte, einen gefährlichen Sinn in dem Kinde — oder in ſich ſelber? — zu erwecken. Dann aber, wieder ernſt und feierlich wie beim Beginn der ſelt¬ ſamen Scene, ſtreifte er zwei einfache Goldreifen von ſeiner Hand, ſteckte den einen an ſeinen eignen Ring¬ finger, den anderen an den ſeiner Braut und ſprach:
„Die Trauringe meiner Eltern! Wenn ich eines Tages, dieſen Reif am Finger, Ihnen gegenüber treten werde, Dorothee, dann wiſſen Sie, ohne Wort, daß ich in Treuen und Ehren mein Ziel erreichte. Und wenn ich den anderen dann an Ihrer Hand gewahre, dann weiß ich, ohne Wort, daß ich in Treuen und Ehren mein Weib zum Altare führen darf.“
Der Wagen der Eltern fuhr in dieſem Augen¬ blicke vor. Langſam ſchritt ich meinem Hauſe, raſch
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gin und Bürgin unſeres Verſpruchs,“ rief der junge
Bräutigam, ſich zu mir wendend.
Ich ſagte nicht Amen, aber ich drückte Siegmund
Faber die Hand, und umarmte — ſchweren Herzens,
Gott weiß! — ſeine ſtrahlende Braut.
Auch Siegmund Faber — daß es an keiner Ver¬
lobungsförmlichkeit fehle — hauchte einen Kuß auf
Dorotheens Stirn, ſo zagend jedoch, als ob er ſich
fürchte, einen gefährlichen Sinn in dem Kinde —
oder in ſich ſelber? — zu erwecken. Dann aber,
wieder ernſt und feierlich wie beim Beginn der ſelt¬
ſamen Scene, ſtreifte er zwei einfache Goldreifen von
ſeiner Hand, ſteckte den einen an ſeinen eignen Ring¬
finger, den anderen an den ſeiner Braut und ſprach:
„Die Trauringe meiner Eltern! Wenn ich eines
Tages, dieſen Reif am Finger, Ihnen gegenüber treten
werde, Dorothee, dann wiſſen Sie, ohne Wort, daß
ich in Treuen und Ehren mein Ziel erreichte. Und
wenn ich den anderen dann an Ihrer Hand gewahre,
dann weiß ich, ohne Wort, daß ich in Treuen und
Ehren mein Weib zum Altare führen darf.“
Der Wagen der Eltern fuhr in dieſem Augen¬
blicke vor. Langſam ſchritt ich meinem Hauſe, raſch
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/147>, abgerufen am 16.02.2025.
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